Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
Klopfen, Knacken. Und auch das Einatmen, das Nichts, das Ausatmen, das Nichts.
Plötzlich weiß Buchser, wer das ist, den er da hört: Buchser himself.
Noch zwei Atemzüge, noch einmal das Anschwellen des inneren Rauschens, dann reißt er die Ohropax wieder raus.
Es geht Buchser mit Buchser wie den meisten Leuten: Er hält ihn nicht aus.
Ein Naturerlebnis
Am Wegrand die doldigen Rispen der gemeinen Schafgarbe und das letzte blaue Eisenkraut. Etwas tiefer in der Alpweide der gelbe Enzian und da und dort bereits die ersten Herbstzeitlosen. Stahlblau der Himmel, nur auf der anderen Talseite beim Piz Ajüx ein paar Wattebäusche. Die höchsten Gipfel sind schon weiß getüncht, und dennoch weht ein milder Sommerwind.
Ein Mann in Wanderausrüstung schreitet gemessen über den Alpweg. Er trägt ein Rucksäckchen, aus dessen Außentasche der Kopf eines Plüschdinosauriers ragt, und presst ein Handy an sein rechtes Ohr.
»…der nächste Schritt wäre dann die Umsetzung empirisch entwickelter Kundentypologien als interaktives Feedbacksystem. – Mhm, mhm. Klar, beide: die funktionalen und die emotionalen Benefits.«
Oberhalb des Weges grasen drei Kühe. Als sie den sprechenden Mann hinter der Kuppe auftauchen sehen, verstummen ihre Glocken. Bewegungslos glotzen sie ihn an.
»Was es braucht, ist eine kontinuierliche Umsetzungsunterstützung, am besten ein konsequentes Umsetzungscontrolling. Das gehört ins Anforderungsprofil. Sowie Zielfindungsworkshops. Richtig. Zur Definition der Servicestandards.«
Wie auf ein Zeichen hin fangen die Kühe wieder an zu grasen.
»Ach das? Dings, Kuhglocken. Und natürlich eine qualitative und quantitative Beschreibung der Prozesse.«
Zu seiner Linken ist die Wiese jetzt gelb-blau mit Zottigem Klappertopf und Wiesensalbei gesprenkelt. Der Mann schlängelt sich durch eine Viehsperre.
»Ich sehe da ganz klar eine Prozessoptimierung mittels Redesign der Prozesse aufgrund der Vorgaben durch die Servicestandards. Ja, Unterengadin. Wie jedes Jahr. Ja, wunderschön, super.«
Weiter unten auf dem Wanderweg taucht jetzt eine Frau auf. Sie schiebt einen leeren Kinderwagen und führt einen kleinen Jungen an der Hand, um ihn, solange es bergauf geht, am Einsteigen zu hindern.
Der Mann erreicht ein kleines Wäldchen. Dunkle Föhren und hellgrüne Lärchen im Gegenlicht werfen ihm ihre Schatten zu Füßen.
»Gehört meiner Meinung nach alles zur kundenzentrierten Geschäftsprozessanalyse. Was? Regula? Klar, auch hier. Was wir standardmäßig brauchen, ist eine Analyse der Auswirkungen unterschiedlicher Komponenten auf die Kaufbereitschaft und das Markenimage. Ja, Luca. Nein, im November drei. Innovative Lösungswege, Erschließung neuer Positionierungsfelder und Konzepte zur Kundenbindung et cetera.«
Ein Buntspecht meißelt sein Loch in die Rinde einer Bergföhre. Zwei Eichhörnchen jagen einander in den besonnten Zweigen einer Lärche.
Die Frau hat jetzt die Viehsperre erreicht und versucht, den Kinderwagen durchzuzwängen, ohne Luca von der Hand zu lassen, den es mit aller Macht zu den Kühen zieht.
Der Mann sieht sich nach seiner Familie um, kann sie nirgends entdecken und setzt sich zum Warten auf einen bemoosten Baumstrunk im kühlen Waldschatten.
»Ich denke da an ein Benchmarking zur optimalen Nutzung der Informationsinfrastruktur.«
Regula hat den Kinderwagen zusammengelegt und fädelt ihn jetzt durch die Kuhsperre. Luca spielt unterdessen mit einem Kuhfladen.
Als die Familie endlich zu ihm stößt, beendet der Mann das Gespräch und seufzt. »Es geht wieder mal gar nichts ohne mich.«
Held der Arbeit, Werder
»Und warum nicht Nizza? Im Juli ist Nizza noch nicht so überlaufen.« Charlotte Werder hatte ihren Mann Heinz R. unternehmungslustig über das mit Prospekten und Landkarten übersäte Clubtischchen angeschaut. Werders machten Ferienpläne. »Wann machen wir jetzt endlich unsere Ferienpläne, Heinz?«, hatte Charlotte wie jedes Jahr nach den Winterferien zu fragen begonnen, und Werder hatte, wie jedes Jahr, geantwortet, »wann du willst«, und sich schließlich auf jenen Samstagnachmittag im Mai festnageln lassen.
Werder hatte genau gewusst, warum nicht Nizza. Nizza klingt nach Ferien. »Woche 29 und 30 bin ich in Nizza«, tönt nach Sonne, Meer, Schalentieren und alkoholischen Getränken bereits am späten Vormittag. Im Board würden Augenbrauen hochschnellen. »Nizza? Schön.« Im mittleren Kader würde es heißen: »Schon gehört? Nizza, der Chef geht nach
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