Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
frequentierten Direktionstoiletten.
Nach ein paar Minuten geht die Tür auf. Die junge Frau, mit der sich der Liegestuhlkassierer so lange unterhalten hat, kommt heraus. Sie wirft ihm einen misstrauischen Blick zu. Huber erkundigt sich beim Barman nach der Herrentoilette und erfährt, dass es nur diese eine Toilette gibt. Er geht zurück und sieht gerade noch, wie der Liegestuhlkassierer in der Tür verschwindet. Um die Begegnung zu vermeiden – er hat das Portemonnaie auf der Badetasche liegen lassen –, beobachtet er die Toilette aus der Distanz.
Als der junge Mann herauskommt, sieht Huber eine ältere Frau auf die Toilette zusteuern. Er schafft es gerade noch, vor ihr die Tür zu erreichen, und hört sie sagen: »Aha, ein Gentleman.«
Huber dreht den Hahn des Waschbeckens voll auf und schaufelt sich mit beiden Händen Wasser in die offenen Augen. Das Brennen nimmt sofort zu. Salzwasser.
Huber eilt zur Theke. »Trinkwasser!«, ruft er dem Barman zu.
»Mit oder ohne Gas?«
Er bestellt eines ohne, trinkt einen Schluck, benetzt unauffällig eine Papierserviette und wäscht sich diskret die Augen aus. Das Brennen lässt nach. Er tänzelt über den heißen Sand zur Liege zurück, Caroline hat sich nicht gerührt.
Das Portemonnaie ist noch dort. Er nimmt es, hüpft zur Bar zurück und bezahlt.
Als er zur Liege zurückkommt, ist Caroline wach.
»Der junge Mann wollte kassieren, aber du musstest ja das ganze Geld in die Bar mitnehmen.«
Es gelingt Huber, sich wortlos hinzulegen und schlafend zu stellen. Der Schweiß in seinem Körper versucht vergebens, die Schicht wasserfeste Sonnencreme, Faktor 20, zu durchdringen.
Im Büro würde er jetzt eventuell das Jackett ausziehen. Oder die Klimaanlage kühler einstellen.
Huber spannt aus ( III )
Wie soll sich eine Schweizer Führungskraft entspannen auf einer Strandliege, deren Miete nicht bezahlt ist? Noch dazu, wenn die Ehefrau auf der Nachbarliege (deren Miete er ebenfalls schuldet) ihn ermahnt, sich endlich zu entspannen.
»Ich bin ja entspannt«, murrt Huber, ohne die Augen zu öffnen.
»Nein, du denkst ans Geschäft. Du bewegst die Zehen.«
Jetzt, wo sie es erwähnt, wird er sich bewusst, dass er die Füße zu Fäusten ballt und zu Füßen streckt, ballt und streckt, ballt und streckt.
»Das tu ich zur Entspannung«, belehrt er Caroline, ohne Hoffnung, dass sie sich mit dieser Erklärung zufriedengeben würde.
»Und weshalb ist dann dein Gesicht so verkniffen?«
Huber merkt, dass er die Augen so fest zugepresst hat, dass er, falls er tatsächlich einschlafen sollte, mit einem Gesichtsmuskelkater erwachen würde.
»Falls ich schlafe, wenn der Typ die Liegen und den Sonnenschirm kassieren kommt: Das Portemonnaie ist im Außenfach der Badetasche«, sagt er, um das Thema zu wechseln.
»Ach, deshalb«, sagt Caroline.
»Deshalb was?«
»Bist du so verkrampft. Du wartest auf den Strandwächter.«
»Ich warte überhaupt nicht, ich will nur nicht, dass du mich weckst, wenn er kommt. Nur das.«
»Wenn wir schlafen, wenn er kommt, muss er halt später wiederkommen.«
Wir! Sie nimmt also in Kauf, dass sie schläft, wenn der Strandwächter kommt.
Wenn sie sich doch solche Sorgen macht, dass er sich nicht entspannen könne, bis die Miete der Liegen und des Schirms bezahlt ist, warum sagt sie dann nicht »Relax, Schatz, ich kümmere mich um die Sache«?
Wenn Flawiler aus der Finanz anstelle von Caroline neben ihm läge, dann wäre Huber völlig entspannt. Flawiler würde ihn nicht mit Details wie der Abgeltung der Liegenmiete behelligen. Er würde sich zum gegebenen Zeitpunkt darum kümmern und, wie er ihn kennt, sogar noch besonders günstige Konditionen herausholen. Während Huber sich um die wichtigen Aufgaben kümmern könnte. Um seine Entspannung, zum Beispiel.
Oder Hopfer. Wenn Hopfer von der Rechtsabteilung neben ihm läge, würde Huber einschlummern und müsste sich keine Sorgen machen, es könnten Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Liegenbenutzung aufkommen. Hopfer würde dem Vermieter zum Beispiel klarmachen, dass es sich in diesem Fall um eine Holschuld des Vermieters handle, dessen Anspruch inzwischen allerdings erloschen sei.
Eine Zeitlang lässt ihn der Gedanke an Flawiler und Hopfer beinahe eindösen.
Aber er liegt neben Caroline! Und riskiert, als Strandliegen-Squatter verhaftet und abgeschoben zu werden!
»Jetzt hast du wieder angefangen, ans Geschäft zu denken«, sagt Caroline. »Ich seh’s an deinen Füßen.«
Lindner
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