Abschied aus deinem Schatten
weiter und brach dann zu ihrer Erleichterung abrupt mitten im Ton ab.
Nachdem die Gäste Platz genommen und die Speisekarten erhalten hatten, ging Rowena zum Eingangsbereich zurück. Sie wollte sich gerade die Hände mit einem Papiertaschentuch abwischen, da ihr plötzlich der Schweiß ausgebrochen war, als die Eingangstür sich öffnete und ein Trio hereinkam. Einer der neuen Gäste war der Mann, den sie am Vortag am Eingang zum Buchladen getroffen hatte. Ihr war, als habe man ihr einen Schlag in den Magen versetzt. Zum zweiten Mal schaute sie sich Hilfe suchend um, doch vergebens. Ian war nach wie vor nirgends zu sehen, und Terry, der gerade Daiquiris auf zerstoßenem Eis machte, war mit dem Mixer beschäftigt. Die drei Neuankömmlinge traten näher, und der älteste des Trios fragte lächelnd, ob noch ein Tisch zu haben sei.
Nunmehr in Schweiß gebadet und mit den ersten Anzeichen eines drohenden Kopfschmerzes im Hinterkopf, sah sie in der Kladde nach. „Im Nichtraucherbereich wäre noch ein Tisch frei”, sagte sie in der Hoffnung, die drei würden sich als Raucher bekennen und daher lieber ihr Glück in einem anderen Restaurant versuchen. Aber nein, der Nichtraucherteil kam ihnen sehr gelegen. Lächelnd nahm Rowena die nötigen Speisekarten an sich, wobei sie durchaus spürte, wie ihr „Mr. Spanien” versuchte, Blickkontakt mit ihr aufzunehmen. Sie gab jedoch vor, nichts zu merken, und führte das Grüppchen zu dem noch freien Tisch.
Während zwei der drei Männer Platz nahmen, blieb der „Spanier” etwas zurück. Mit demselben umwerfenden Lächeln wie am Tag zuvor raunte er ihr zu: „So sieht man sich wieder, was?”
„Allerdings. Freut mich, Sie begrüßen zu dürfen”, erwiderte sie bemüht zwanglos. „Lassen Sie es sich schmecken, Gentlemen.” Damit wandte sie sich um und ging gemessenen Schrittes – wie sie hoffte – an der Bar vorbei hinaus auf die Terrasse. Eigentlich wollte sie Ian bitten, die Rezeption für einige Minuten zu übernehmen, doch wahrscheinlich suchte er gerade im Weinkeller eine bestellte Flasche aus. Seufzend kehrte sie ins Lokal zurück und hatte es fast bis ins Büro geschafft, als sie hinter sich Schritte hörte.
„Dürfte ich Sie einen Augenblick sprechen?” fragte der „Spanier” halblaut.
Resigniert drehte sie sich um. „Kommen Sie bitte ins Büro. Da lässt sich besser reden.”
Sie nahm hinter dem Schreibtisch Platz und bat den Besucher, sich zu setzen, während sie sich eine Zigarette anzündete. Schon jetzt graute ihr vor dem, was er zu sagen hatte; wahrscheinlich wurde sie nun mit der nächsten Peinlichkeit konfrontiert.
„Sie sind Claudias Schwester, habe ich Recht?”
„Ja.”
„Gestern hatte ich eine etwas lange Leitung. Wie ich hörte, ist Claudia erst vor kurzem gestorben.”
„Im Februar.”
Er schüttelte den Kopf. „Und noch so jung! Mein Beileid nachträglich, es war sicher nicht leicht für Sie.” Ein, zwei Sekunden lang starrte er sie an und fuhr dann fort, da sie nicht reagierte. „Gestern kam ich Ihnen bekannt vor. Und Sie mir auch, denn Sie sehen Ihrer Schwester sehr ähnlich, wie mir erst später auffiel. Nun, Sie können sich bestimmt vorstellen, dass ich gern wissen wollte, wieso – wieso ich Ihnen bekannt vorkam, meine ich damit. Ich war Jahre nicht mehr zum Essen hier, jedenfalls nicht seit meinem Umzug nach Westport. Allerdings stammen einige meiner Mandanten hier aus der Stadt – ich habe ja Claudia kennen gelernt, weil ich des Öfteren Klienten zu Geschäftsessen hierher einlud. Obwohl ich also geraume Zeit nicht hier war, kannten Sie mich trotzdem. Ich würde gern wissen, woher.”
„Irgendwo muss ich Sie wohl mal gesehen haben. Ich weiß es wirklich nicht.”
Wie ich diese Lügerei hasse!
Jedes Mal kam sie sich wie eine Betrügerin vor und rechnete fest damit, erwischt zu werden. Das Dröhnen im Kopf verstärkte sich so, dass sie vor Schmerzen nicht mehr richtig sehen konnte.
„Sie sind doch eine ehrliche Frau”, sagte der Besucher mit entwaffnendem Lächeln. „Gestern dachte ich erst, Sie hätten gemerkt, dass Sie sich geirrt haben und nicht recht wussten, wie Sie die Lage meistern sollten. Deshalb widerspreche ich Ihnen nur ungern, doch ich glaube, Sie wissen es sehr wohl! Nach meinem Gefühl muss es Bilder oder so etwas geben, auf denen Sie mich gesehen haben.”
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und erneut brach ihr der Schweiß aus allen Poren. „Bilder? Wie kommen Sie denn darauf?” Sie zog an ihrer
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