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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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passiert.” Er stand auf und bot ihr die Hand. „Danke, Rowena. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie mir die Wahrheit gesagt haben. Sehr nett von Ihnen, wirklich. Wenn ich mal wieder in der Stadt bin, lasse ich mich sehen, wenn ich darf.”
    „Sehr gern. Jederzeit.”
    Nachdem er gegangen war, blieb Rowena sitzen und dankte im Stillen dem Himmel, dass Delgado sich als so anständiger und besonnener Mann erwiesen hatte.
    Ian nämlich, der nur Augenblicke später ins Büro gestürmt kam, wirkte erheblich weniger besonnen, als er unwirsch von ihr wissen wollte, wieso sie die Rezeption unbesetzt und das Telefon ungerührt klingeln ließ.
    „Können Sie sich vorstellen, welch miserablen Eindruck das hinterlässt?” herrschte er sie an. „So geht das einfach nicht! Zumal ich schon wieder diesen Doktor an der Strippe hatte!” Er knallte ihr einen Notizzettel auf den Tisch. „Bitte erwidern Sie diese verdammten Anrufe, Rowena! Das Ganze nimmt allmählich absurde Ausmaße an!”
    Zu ihrem Leidwesen und zu seiner offensichtlichen Bestürzung öffnete sie zwar den Mund, brachte aber keinen Laut hervor, sondern brach, die Hände an die schmerzenden Schläfen gepresst, in Tränen aus. Wie eine komplette Närrin kam sie sich vor, und zudem wie eine Versagerin! Durch Delgados Auftauchen völlig irritiert, hatte sie ihre Pflichten vernachlässigt.
    „Ach, verflixt noch eins, nicht doch!” Ian war auf der Stelle besänftigt und drückte ihr sein Taschentuch in die Hand. „Bitte, beruhigen Sie sich! Ich hatte kein Recht, Sie so anzufahren. Es tut mir Leid.” Er schnappte sich seine Zigarettenschachtel, die auf dem Schreibtisch lag, ließ sich auf dem Stuhl nieder, auf dem Delgado kurz zuvor gesessen hatte, und zündete sich eine Zigarette an.
    „Doch, doch, Sie haben durchaus Recht”, würgte sie mit krächzender Stimme hervor, während sie sich das Gesicht mit dem frisch duftenden, monogrammverzierten Leinentuch abtupfte. „Ich hätte ans Telefon gehen und auch am Empfang stehen müssen. Offenbar kommt alles auf einmal.” Vielleicht hast du einen so genannten Nervenzusammenbruch! Falls dem so war, glich dieser Zustand keineswegs der gewaltigen Erschütterung, die sie sich darunter stets vorgestellt hatte, sondern eher einem schleichenden Prozess, bei dem ihr allmählich die Kontrolle über sich selbst entglitt. Zudem fielen ihr bestimmte Dinge nicht mehr ein, und sie fuhr geistesabwesend mit dem Auto durch die Gegend oder musste Gefühlsausbrüche über sich ergehen lassen. Und noch eins zählte dazu: Sie brachte jede freie Minute mit dem Versuch zu, Erinnerungen eines ganzen Lebens wie Puzzleteile zusammenzusetzen, obwohl sie sich vermutlich doch nie zu einem nachvollziehbaren Ganzen fügen würden.
    „Sie halten mich gewiss für einen schrecklichen Tyrannen, wenn ich so loswettere”, entschuldigte Ian sich kleinlaut. „Aber ich bitte um Verständnis. Für mich ist das ein beängstigender Fall von Déjà-vu. Claudia blühte förmlich auf, wenn sie uns allesamt mit solchen Dingen auf Trab halten konnte wie Mitteilungen von Anrufern für sie aufschreiben, eifersüchtige Verehrer abwimmeln, Botengänge erledigen, dies holen und jenes wegbringen – alles in allem mussten wir also nach ihrer Pfeife tanzen. Mir ist klar, dass Sie in letzter Zeit einige … äh … Schwierigkeiten durchgemacht haben, und darauf hätte ich Rücksicht nehmen müssen. Nur fördert es leider das Image eines Lokals von unserem Stellenwert nicht gerade, wenn niemand ans Telefon geht.”
    „Das weiß ich, und ich gebe Ihnen auch Recht. Ich habe Persönliches nicht vom Geschäftlichen getrennt.”
Vielleicht hast du hier doch nichts zu suchen!
In der Bibliothek hatte sie zumindest die Grundsätze begriffen, möglicherweise sich auch ihre eigenen aufgestellt und sich daran gehalten. Doch seit dem ersten Abend hier im Lokal hatte sie gleichsam im luftleeren Raum geschwebt und dabei wohl gegen ungeschriebene Regeln verstoßen, die ihr aus Zeitmangel niemand erklärt hatte. „Es ist durchaus in Ordnung, Ian.”
    „Nein, das ist es keineswegs. Ich entschuldige mich in aller Form für meine Entgleisung.”
    „Akzeptiert, auch wenn es unnötig ist.”
    „Könnten wir uns bezüglich des Telefons nicht verständigen? Falls ein unerwünschter Anruf für Sie eingeht und ich gerade nicht verfügbar bin, dann kann Terry ihn doch am Anschluss an der Bar entgegennehmen, wenn beim dritten Klingeln noch niemand abgenommen hat. Wäre Ihnen das

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