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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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Anrufbeantworters herunter. Nachdem sie Wasser für einen Tee aufgestellt hatte, machte sie sich ein Pumpernickel-Sandwich mit gekochtem Schinken, Käse, Salat, Tomaten und Champagnersenf. Mit den Klängen eines Oboenkonzerts von Vivaldi im Hintergrund studierte sie nochmals bedächtig jede einzelne von ihrem Vater geschriebene Karte, wobei sie die Hälfte des Sandwichs aß. Schließlich schloss sie bei einer Tasse Tee und einer Zigarette die letzten Umschläge, steckte die Dollarscheine in ein Extrakuvert und deponierte dieses in der Schublade, in der sie ihren Alltagskrimskrams aufbewahrte. Wie sie das Geld letztlich verwenden sollte, wusste sie noch nicht. Schließlich ging sie nach draußen, eigentlich mit dem Vorsatz, sich mit ihrer Novelle auf der Liege auszustrecken. Doch in weniger als zehn Minuten war sie wieder im Haus und auf dem Weg zum Videorekorder im Wohnzimmer. Sie konnte nicht anders.
    Als es auf neun Uhr zuging, hatte sie sich das Band bereits fünfmal angesehen und befand sich mitten im sechsten Durchgang, als eine verärgerte Stimme sagte: „Hier steckst du also! Was, zum Kuckuck, ist denn mit dir los, Rowena?”
    Sie zuckte zusammen und fuhr herum. Im Türrahmen stand Mark, die Hände in die Hüften gestemmt. Zutiefst beschämt und mit pochendem Puls griff sie hektisch nach der Fernbedienung, um das Video zu stoppen.
    „Nein, lass mal”, befahl er frostig, ließ sich neben ihr auf dem Sofa nieder und nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand. Nach einem Blick auf den Bildschirm schaute er sie an und drückte die Pause-Taste. „Schon seit über einer Stunde rufe ich hier alle zehn Minuten an. Ich wusste, du bist zu Hause, und als sich immer nur der Anrufbeantworter meldete, dachte ich zunächst, du stündest unter der Dusche. Aber dann kriegte ich’s mit der Angst zu tun. Ich stellte mir schon vor, du lägest tot hier im Zimmer. Deshalb bin ich mit meinem Schlüssel rein, um nach dem Rechten zu sehen.”
    „Warum hast du denn nicht geklopft?” Endlich fand sie die Sprache wieder. „Und wieso sollte ich tot hier liegen?”
    „Ich dachte, wenn du schon nicht ans Telefon gehst”, erwiderte er sachlich, „dann auch nicht an die Tür. Hätte ja sein können, dass du in der Badewanne ausgerutscht und mit dem Kopf aufgeschlagen bist. Du hättest auch mit nassen Fingern in eine Steckdose fassen können, was weiß ich! Ich hatte das Gefühl, dass da was nicht in Ordnung war.”
    „Es ist aber alles in Ordnung”, flüsterte sie, während sie sich eine Zigarette anzündete.
    „Erzähl mir nicht so einen Quatsch, Darling”, mahnte er nachsichtig und ließ den Blick zum Fernsehschirm wandern, auf dem das Videobild wie erstarrt verharrte. „Hier ist im Gegenteil mächtig was faul. Du bist die Kassetten ja noch immer nicht los! Ich hab’s befürchtet.”
    „Nein, Mark, ich habe sie alle vernichtet. Diese hier habe ich eben erst gefunden …” Am ganzen Leibe zitternd, hatte sie das Gefühl, als schrumpfe ihr überall die Haut zusammen und zerquetsche ihr die inneren Organe, als werde den Lungen die Luftzufuhr abgeschnitten, sodass sie kaum atmen oder einen Ton hervorbringen konnte.
    „Bitte, Ro, keine Mätzchen!”
    „Nein!” beharrte sie. „Das sind keine Mätzchen!”
    „Dann wollen wir doch mal sehen!” sagte er und griff nach der Fernbedienung.
    „Mark”, flehte sie, „ich will nicht, dass du dir das anschaust!” Doch es war zu spät; das Band lief bereits.
    „Ach du dickes Ei!” rief er bestürzt. „Der Psychoklempner!” Er stoppte das Band und sah Rowena an. „Du hast das hier gefunden, und nun bist du todunglücklich, weil er dir nämlich doch nicht egal ist! Du brauchst es gar nicht erst abzustreiten, ich weiß es.”
    Erfüllt von einem Gefühl der Sinnlosigkeit wandte sie den Blick ab und drückte die Zigarette aus, die sie gerade erst angezündet hatte.
    „Es braucht dir nicht unangenehm zu sein, Ro! Ich verstehe vollkommen!”
    „Es ist ohnehin schon blamabel genug”, flüsterte sie gebrochen. „Mach es nicht noch schlimmer!”
    „Meinst du, ich marschiere jetzt einfach nach Hause und ignoriere, dass du hier wie ein Häuflein Elend vor den Schmuddelfilmen deiner Schwester hockst? Das kannst du nicht verlangen!”
    „Wieso denn nicht? Wenn du das von mir verlangen würdest, täte ich es sofort!”
    „Aber ich bin nun mal nicht du, mein Schatz! Und ich kann mich nicht dumm stellen, denn das würde dir nicht helfen.”
    „Gib mir bitte die

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