Abschied aus deinem Schatten

aus, als hätte die Gehirnerschütterung Ihnen sämtliche Gefühle losgerüttelt. So, Mädchen, fertig. Raus aus der Wanne! Ich mag Sie auch”, bemerkte sie nachdenklich, während sie Rowena abtrocknete, als wäre diese tatsächlich noch eins ihrer Kinder. „Und jetzt will ich Ihnen mal was sagen. Meine Mama meinte immer: Gott ist die Liebe. Ich für meinen Teil denke allerdings, Gott zeigt sich in dem, wie man seine Mitmenschen behandelt. Und für die, die sich anständig verhalten, lohnt sich der Einsatz.”
    „Das glaube ich auch”, versicherte Rowena leise und nahm die Krankenschwester spontan in den Arm.
    Überrascht fing Lorene wieder an zu lachen und erwiderte die Umarmung. „Aber wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass Sie was auf die Rippen kriegen! Man könnte ja glatt meinen, man hätte ’nen Sack mit Türklinken in der Hand, wenn man Sie anfasst!”
    Sie schlief ein, kaum dass sie wieder in ihrem Bett lag, und wurde etwa eine Stunde später vom Läuten des Telefons aus dem Schlummer gerissen. In der Erwartung, ihren Vater am anderen Ende zu hören, der sich seit seiner Abreise jeden Nachmittag gemeldet hatte, nahm sie den Hörer ab.
    „Hi, Tante Ro! Wie geht’s? Ich hoffe, ich rufe nicht zur falschen Zeit an!”
    „Ganz und gar nicht. Mir geht’s prima. Freut mich, deine Stimme zu hören.”
    „Ganz meinerseits. Ich wollte dich ja eigentlich besuchen, aber ich denke, wenn dir die Leute in Massen auf die Pelle rücken, dann wird dir das mächtig auf den Keks gehen. Deshalb rufe ich lieber an und sag dir guten Tag. Rate mal, wer dich am Empfang vertritt!”
    „Wer denn?”
    „Ich! Super, was? Ian meint, an der Rezeption werde ich dringender gebraucht als beim Hilfskellnern, und ob ich’s nicht mal versuchen will. Na, aber hallo, hab ich gesagt. Jetzt muss ich mich jeden Tag voll aufmotzen, so mit Schlips und Jackett und so, und dann deinen Job übernehmen. Ist echt toll, Tante Ro! Hab sogar schon Trinkgeld abgesahnt!”
    „Das ist ja wunderbar, Kip! Mir hat noch nie jemand ein Trinkgeld gegeben. Ich bin richtig stolz auf dich!”
    „Also ehrlich, bisschen stolz auf mich bin ich auch. Aber ich glaube, ich muss jetzt Schluss machen. Wollte dich nur mal hören. Wann lassen sie dich denn raus?”
    „Übermorgen, wenn ich Glück habe.”
    „Na, super! Wenn ich darf, lass ich mich mal bei dir zu Hause blicken.”
    „Auf jeden Fall! Und danke für deinen Anruf, mein Schatz!”
    „Mann, bin ich froh, dass du wieder auf dem Damm bist! Ich hab dich nämlich verdammt lieb.”
    „Ich dich auch”, erwiderte sie mit erstickter Stimme.
    „Machs gut, Tante Ro!”
    Nach dem Anruf nahm Rowena die Mappe aus der Schublade, kippte sich den Inhalt auf die Bettdecke und startete einen erneuten Leseversuch. Diesmal schaffte sie es problemlos. Langsam und konzentriert las sie die Artikel durch.
    … Diese Kinder weisen Fehlentwicklungen auf wie Hyperaktivität, emotionale Unausgeglichenheit sowie unruhiges und störendes Verhalten, wobei sie in ihrer Reaktion keinen Unterschied zwischen Familienmitgliedern oder Fremden machen … In leichteren Fällen äußert sich eine Alkoholembryopathie in dissozialen Störungen, d. h. dem fortgesetzten Unvermögen, sich an solche Verhaltensmuster anzupassen, die das Begreifen von Langzeitfolgen oder von einem gesellschaftlich akzeptierten Verhaltenskodex voraussetzen …
    … Kinder mit FAS-Symptomen fallen unter anderem auf durch mangelndes logisches Urteilsvermögen sowie durch wiederholte Verhaltensstörungen, die sich bereits in der Vergangenheit negativ auswirkten … Zu den Fehlentwicklungen zählt auch der Gebrauch eines sehr umfangreichen Wortschatzes, ohne dass die geschädigten Kinder wissen, wovon sie reden. Dadurch erwecken sie den Eindruck größerer sprachlicher Kompetenz, als sie in Wirklichkeit besitzen … Sie lernen nicht aus Fehlern und begreifen im Grunde nicht, was sie sagen …
    … Studien haben ergeben, dass Kinder von alkoholabhängigen Müttern deutliche alkoholbedingte Schädigungen aufweisen: Minderung der Intelligenz, Hirnleistungsschwäche (insbesondere im Rechnen), leichte Ablenkbarkeit sowie Störungen des Kurzzeitgedächtnisses … Schlafstörungen wurden ebenfalls festgestellt … Aufmerksamkeitsdefizite, Sprachstörungen und Hyperaktivität. Alkoholgeschädigte Kinder fallen häufig durch allgemeines Schulversagen auf …
    … Koordinationsstörungen sowie Schwächen in der Feinmotorik beim Zeichnen oder Schreiben können ebenfalls die