Abschied aus deinem Schatten
hätte?”
„Altbackener Modemuffel”, wiederholte er, wobei er resigniert den Kopf schüttelte. „Was du dauernd für eine unmögliche Art hast, dein Licht unter den Scheffel zu stellen! Ich kenne niemanden, der das besser kann als du! Anfangs dachte ich immer, dass du nur auf ein Kompliment aus warst. Dann aber merkte ich, dass du es tatsächlich ernst meintest. Du hast nicht die geringste Ahnung, wie du auf andere wirkst!”
„Natürlich weiß ich das!”
„Bei aller Liebe, Rowena, aber das weißt du eben nicht! Aber Schwamm drüber! Betrachten wir die Sache mal objektiv. Erstens: Claudia hat das Zeitliche gesegnet, und nun hast du Geld, das Haus, das Restaurant und den Benz, den du aus mir unerfindlichen Gründen in der Garage verstauben lässt. Zweitens: Du bist
schlank
. Das allein hätte normalerweise schon vom ersten Tag an ausgereicht, Penny auf die Palme zu treiben, wärst du nicht so vorausschauend gewesen, deine nicht vorhandene Körperfülle mit einer Garderobe zu tarnen, die aussieht, als hätte sie ein Blinder aus dem Katalog ausgesucht.” Bei diesem Bild musste sie unwillkürlich lächeln. Ermutigt fuhr er fort: „Also, du bist schlank und kommst zusätzlich seit neuestem wie aus dem Ei gepellt daher, und falls das noch nicht reicht: Zu allem Überfluss treibst du dich auch noch dort herum, wo die feinen Leute dinieren. Ganz plötzlich zählst du zu den Reichen und Schönen. Stellt man nun diese Annehmlichkeiten einer Frau gegenüber, deren gesamtes Erwachsenenleben bislang aus einer einzigen langen Diät bestand, dann, meine Damen und Herren Geschworenen, kann das Urteil nur lauten: vorsätzliche Eifersucht.”
„Ich weiß nicht recht, Mark.”
„Jetzt hör mir mal zu, Rowena! Zum ersten Mal, seit wir uns kennen, legst du langsam so etwas wie Selbstbewusstsein an den Tag. Diese Designerklamotten zu tragen, das tut dir richtig gut, meine kleine Tortilla! Jetzt haben sogar deine Allerweltssachen irgendwie Pfiff. Den Leuten fällt das auf, und die meisten finden es toll, wie du dich verändert hast. Wir anderen in der Bibliothek würden doch auch am liebsten den Hut nehmen! Leider Gottes sieht Penny das nicht so wie die Kollegen. Aus ihrer Sicht lässt du uns alle im Stich, ganz besonders sie.”
„Das ist ja lächerlich! Seit fünfundzwanzig Jahren sind wir befreundet! Da müsste sie mich doch besser kennen!”
„Tja, mein Schatz, aber sich selbst kennt sie vielleicht nicht so gut, das ist der Witz!”
Rowena lehnte sich auf dem Stuhl zurück. „Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.”
„Und sie wahrscheinlich auch noch nicht. Im Augenblick übertreibt sie wie verrückt. Meiner Ansicht nach solltest du abwarten, bis der Staub sich gelegt hat. Der ganze Ärger ist es nicht wert, dafür eure Freundschaft aufs Spiel zu setzen.”
„Finde ich auch.”
„Also gut. Beruhig dich und verhalte dich freundlich. Gib ihr Zeit, sich wieder einzukriegen. Und jetzt erklär mir mal, wieso du das teure Luxusmaschinchen in der Garage verschimmeln lässt.”
„Es ist dumm, ich weiß. Aber wenn ich mir vorstelle, ich führe den Wagen, dann fürchte ich, ich könnte irgendwie Claudia ähneln, und sei es auch nur entfernt.”
„Ach du ahnst es nicht! Meinst du, mir wäre entgangen, dass du dich mit ihren etwas dezenteren Preziosen zierst? Du logierst im Haus und spazierst in von ihr gekauften Sachen herum; beruflich wechselst du mehr und mehr in ihr Lokal über. Wieso machst du da nicht Nägel mit Köpfen und fährst in ihrem Benz durch die Landschaft?”
„Ich denke drüber nach”, versprach sie zögerlich, doch nicht besonders glücklich mit dem Versuch, das auszudrücken, was sie bewegte.
„Was ist los, Ro? Geht’s immer noch um Penny, oder hast du was anderes auf dem Herzen?”
„Ich möchte dich mal was fragen. Wieso bist
du
eigentlich nicht neidisch auf mein angebliches Glück?”
„Also, erstens motze ich mich nicht als Transvestit auf; mit deinen Kleidern könnte ich also überhaupt nichts anfangen. Zweitens lasse ich mich gern auf Kosten des Hauses in einem Lokal der Oberklasse bewirten. Aber Spaß beiseite, der Grund ist folgender: Nachdem ich in den vergangenen zwei Jahren miterleben musste, wie jemand, den ich aus tiefstem Herzen geliebt habe, scheibchenweise und qualvoll zu Grunde ging, würde ich keinem Menschen mehr etwas missgönnen. Und wenn es dich glücklich macht, mein Herz, bitte sehr – von mir aus kannst du alles haben, machen, essen und tragen, was du
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