Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
Vom Netzwerk:
beim Mittagessen am gleichen Tag. Sie war so aufgewühlt, dass ihr fast die Stimme versagte.
    „Ich habe es eher gemacht, weil ich mich über dich geärgert habe!” gab Rowena zu, bremste sich indes, da sie merkte, wie kindisch sich der Streit anhören musste. „Aber beschlossene Sache war es vorher schon. Und sauer bin ich gar nicht mehr. Hör dir bloß an, wie wir uns streiten!” Sie lächelte. „Wie zwei achtjährige Kinder!”
    „Ich hatte gehofft, dich umstimmen zu können.” Auch Penny lächelte nun, allerdings sichtlich gequält. „Ich bin eben so daran gewöhnt, einfach nur schnell durchs Gebäude zu gehen, wenn ich mal was von dir will.” Sie rang nach Worten. „Das wird jetzt alles ganz anders … Du wirst mir fehlen.”
    „Nun hör aber auf! Ist doch nicht so, als ginge ich in die Fremde! Wir werden uns noch häufig genug sehen.”
    „Aber so wie früher wird es trotzdem nicht mehr sein!” beharrte Penny.
    Darauf hätte Rowena eine ganze Reihe von Antworten parat gehabt, doch sie zog es vor, den Mund zu halten. Tatsache war, dass ihre Freundschaft zu Penny – oder zu Mark beziehungsweise zu ihren übrigen Bekannten – bei der Entscheidung, den Bibliotheksjob an den Nagel zu hängen, keine Rolle gespielt hatte. Jetzt stellte sie zu ihrem Erstaunen und mit Bestürzung fest, wie sehr Penny von ihr abhängig war. Rowena war davon ausgegangen, dass die Freundschaft weiterhin Bestand haben würde, wenn auch gezwungenermaßen auf leicht veränderter Basis. Es gab eigentlich keinen Grund, etwas anderes anzunehmen.
    „Der Hauptunterschied liegt nur darin, dass wir nicht mehr in ein- und demselben Gebäude arbeiten. Sei doch mal realistisch. Wir treffen uns auch jetzt nicht jeden Tag!”
    Penny ließ sich nicht von ihrer Vermutung abbringen. „Nichts wird so sein wie früher.”
    Mit einem Mal erkannte Rowena, wie behaglich die Freundin sich das Leben eingerichtet hatte, sodass sie nunmehr jegliche Veränderung als etwas Negatives begriff und sich im Gegensatz zu den übrigen Kolleginnen und Kollegen, die Rowena zur Entscheidung beglückwünscht hatten, nicht einmal für sie freute. Möglicherweise hatte sie sich darauf verlassen, Rowena werde auf immer und ewig der Bibliothek treu bleiben; vielleicht hatte sie ihre Freundin als etwas Beständiges, Dauerhaftes betrachtet, ähnlich dem dekorativen Mauerwerk an der Bibliotheksfassade. Es konnte aber auch sein, dass sie sich übergangen fühlte, weil Rowena es versäumt hatte, sie um Rat zu fragen. Trotzdem, Pennys negative Einstellung und ihr krampfhaft als Besorgnis getarnter Egoismus machten Rowena zu schaffen. All das erinnerte sie an unzählige Situationen aus ihrer Jugend, wenn sie etwas besaß, von dem Claudia plötzlich behauptete, es müsse doch eigentlich nicht Rowena, sondern ihr gehören. Diesen Besitzanspruch hatte Claudia dann stur auf Biegen oder Brechen durchgesetzt. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie von zu Hause auszog, um ihr Studium zu beginnen, hatte Rowena mit besonderer Sorgfalt darauf achten müssen, dass sie nicht bei Claudia Begehrlichkeiten weckte, indem sie eine bestimmte Person oder einen Gegenstand mit nach Hause brachte.
    Einem attraktiven Äußeren, das hatte Claudias Beispiel gezeigt, vermochten nur wenige zu widerstehen – Männer am allerwenigsten. Jedes Mal ließen sie sich wie die Fische vom Glanz des Köders verlocken. Und Claudia wusste, wie man glänzte. Schließlich hatte sie diese Kunst Tag für Tag ausgiebig perfektioniert.
    Von ihrer Mutter und der Schwester hatte Rowena viel gelernt, nicht zuletzt die Einsicht, dass man sich nur auf sich selbst verlassen durfte. Letzten Endes hatte dies dazu geführt, dass sie ihren Freundinnen mehr vertraute als ihren Angehörigen. Das galt besonders für Penny, auf deren Unterstützung und Loyalität sie stets hatte setzen können. Nunmehr sah es ganz danach aus, als mache ausgerechnet Penny ihr aus unverkennbar egoistischen Gründen die Entscheidung für eine neue berufliche Herausforderung mies. Auch wenn diese Haltung sie enttäuschte, wollte Rowena sich dadurch nicht von dem einmal eingeschlagenen Kurs abbringen lassen. Mit ihren nun beinahe vierzig Jahren gedachte sie die Wende in ihrem Leben in vollen Zügen zu genießen, solange dies noch möglich war.
    „Ich glaube, wir müssen zurück an die Arbeit!” Rowena schaute demonstrativ auf ihre Armanduhr. Eigentlich war es Claudias Uhr, eine Tank von Cartier aus vergoldetem Silber, mit schwarzen römischen Ziffern auf

Weitere Kostenlose Bücher