Abschied aus deinem Schatten
geht und nach der Fressorgie alles wieder rausbrächte, könnte sie glatt Bulimie kriegen!”
„Du bist gemein!” Rowena lachte.
„Aber es stimmt! Und hast du gehört, wie der Junge redet? Zum Totlachen!”
„Geile Bude, echt!” zitierte sie lächelnd.
„Ach, ich hab den Bengel zum Fressen gern! So ein lieber Kerl! Das ist das Einzige, was mir wirklich fehlt – eigene Kinder. Ich hab immer schon gedacht, Vater zu sein ist bestimmt eine tolle Sache. Tim und ich, wir hatten auch schon mal über Adoption nachgedacht. Aber das hätte bedeutet, dass er sich hätte outen müssen, und damit wäre er seinen Job los gewesen. Na ja, nun ist es sowieso hinfällig.”
„Ihr zwei hättet ein tolles Elternpaar abgegeben.”
„Glaube ich auch. Und was ist mit dir?” Er kippte die Plastikbestecke in die Küchenspüle, um sie für eine spätere Wiederverwendung zu säubern. „Wolltest du mal Kinder haben, Ro?”
Rowena, die gerade die Arbeitsplatte abwischte, hielt inne. „Früher habe ich mal gedacht, ich würde, wenn ich groß bin, heiraten und drei oder vier Kinder kriegen. Dann hat mir Claudia meinen ersten Freund ausgespannt. Davey O’Connell hieß der. Sie hat sich darüber amüsiert, dass er ihr wie ein junger Hund nachlief. Die beiden Nächsten hat sie sich ebenfalls unter den Nagel gerissen, aber dann bin ich aus Schaden klug geworden und habe mich zu Verabredungen nur noch ein Stück die Straße rauf mit den jeweiligen Jungs getroffen. Zu dem Zeitpunkt war mir allerdings schon teilweise die Lust vergangen. Das Ganze glich zu sehr einem Wettkampf, und mit den Jahren wurden mir die Herren der Schöpfung immer weniger wichtig. Du erinnerst dich ja sicher noch an Gil.”
„Allerdings.” Mark verzog das Gesicht.
„Genau. Nun, eines Morgens, es ist noch gar nicht so lange her, wachte ich auf, und da war es zu spät. Ungefähr einen Monat lang bin ich wie in Trauer herumgegeistert. Dann jedoch, als mir die Schwierigkeiten und erst recht die Kosten bewusst wurden, die auf mich als allein erziehende Mutter zukommen würden, sah ich ein, dass ich nur einem Trugbild nachtrauerte. Im Übrigen hätte ich wahrscheinlich nicht mal eine gute Mutter abgegeben. Man muss wohl selbst als Kind viel Nestwärme mitbekommen haben, um diese dann an den eigenen Nachwuchs weitergeben zu können. Und darin war meine Mutter, wie ich dir bereits erzählte, nicht sonderlich geübt.”
„Aber dein Vater doch, nach allem, was du über ihn berichtet hast. Letzten Endes hast du doch all das bekommen, was du brauchtest. Übrigens irrst du dich, wie gehabt. Du wärst eine hervorragende Mutter geworden. Alle beide hätten wir uns als Eltern gut gemacht. Wenig wahrscheinlich, dass wir das noch beweisen dürfen. Alles nicht so einfach im Leben, was?”
„Ja, manchmal wirklich nicht.”
„Das führt alles zu nichts”, bemerkte er plötzlich. „Wir machen uns nur das Leben schwer. Lass uns lieber den Benz aus der Garage holen und eine Runde drehen.”
Beinahe hätte sie protestiert, besann sich jedoch eines Besseren. „Warum eigentlich nicht?” sagte sie. „Ich hole den Schlüssel.”
Rowena lief ins Haus, und als sie die Küchenschublade mit Claudias Schlüsselbund darin öffnete, fiel ihr auf, dass das Lämpchen am Anrufbeantworter leuchtete. Offenbar war eine Nachricht eingegangen. Rowena drückte auf den Abspielknopf.
„Hallo, Miss Graham. Tony Reid hier. Ich hatte erwartet, dass Sie sich nach der Lektüre der Materialien über das Clérambault-Syndrom wieder bei mir melden würden. Deshalb wollte ich fragen, ob die Möglichkeit besteht, dass Sie in der Mittagspause Zeit für ein Gespräch haben. Aber ich vermute wohl nicht. Ich muss heute Abend zu einer Konferenz nach San Francisco. Sobald ich zurück bin, rufe ich wieder an. Bis dann.”
Beim Klang seiner Stimme hatte Rowena erneut das Gefühl, als treffe sie ein Schlag. Und an seine Erscheinung, sein Lachen und die Grübchen, die dabei deutlich wurden, konnte sie sich so gut erinnern, dass sich ihr der Magen zusammenkrampfte.
„Was gibt’s?” fragte Mark, dem ihr Gesichtsausdruck auffiel, als sie mit Handtasche und Autoschlüssel zurückkam.
„Tony Reid hat angerufen. Er wollte mich zum Lunch einladen und mit mir sprechen. Kommt dir das nicht merkwürdig vor?”
„Vielleicht mag er dich, Herzchen.”
„Nein, der ist hinter etwas her.”
„Hinter deinem entzückenden kleinen Körper vielleicht?”
Sie lachte und boxte ihm gegen den Arm. „Red keinen
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