Abschied aus deinem Schatten
es nicht – genauso wenig wie du.”
„Zu mir hat er keinen Ton gesagt!” Rowena wurde noch schwerer ums Herz.
„Du hast dich für ihn weit aus dem Fenster gelehnt, Ro. Das weiß er nur zu gut, und deshalb will er dir nicht vorjammern, dass daheim dicke Luft herrscht.”
„Andererseits weiß er aber auch, dass er sich immer an mich wenden kann.”
„Diesmal verhält es sich anders. Hier handelt es sich um eine Angelegenheit zwischen Erwachsenen. Die will er regeln wie ein Großer und nicht postwendend zu Tante Ro rennen und lamentieren, zu Hause gehe es drunter und drüber.”
„Da mag was dran sein”, gab sie zu.
„Allerdings. Ach übrigens, ich will ja nicht das Thema wechseln, aber am Freitagabend möchte ich mit einem Bekannten zum Dinner kommen. Seid ihr ausgebucht, oder kannst du mich noch unterbringen?”
„Sicher. Was denn für ein Bekannter?”
„Ich hab ihn in der Selbsthilfegruppe kennen gelernt.” Mark lächelte verlegen. „Könnte was werden, aber vielleicht auch nicht. Er ist ein anständiger Kerl; wir sind einige Male Kaffee trinken gegangen. Letzte Woche fragte er mich, ob ich Lust hätte, mich abends mit ihm zu treffen. Also hab ich ihm ein Essen in deinem Lokal vorgeschlagen. Auf die Weise kannst du ihn mal unter die Lupe nehmen und mir sagen, was du von ihm hältst. Das würde mich sehr interessieren.”
Rowena lächelte verschmitzt. „Du willst ihn also der Mama präsentieren, stimmt’s?”
„So ähnlich.”
„Um wie viel Uhr wollt ihr denn kommen?” fragte sie. Sie konnte sich vorstellen, dass ihm eine neue Bekanntschaft nicht leicht fiel, nachdem er so viele Jahre mit Tim zusammengelebt hatte.
„So gegen acht?”
„Kein Problem. Schon erledigt. Und? Willst du mir nichts von ihm erzählen?”
„Auf keinen Fall! Du sollst ihm völlig unvoreingenommen gegenübertreten.”
„Meinetwegen! Und was hast du für ein Gefühl?”
Er verzog das Gesicht. „Bisschen nervös, schlechtes Gewissen, aber sonst geht’s einigermaßen. Wird Zeit für eine neue Verbindung, das merke ich. Apropos Verbindung: Hat dieser Seelendoktor sich eigentlich wieder gemeldet?
„Vor einer Woche etwa hat er mir auf den Anrufbeantworter gesprochen. Ich habe aber nicht zurückgerufen.”
„Wieso denn nicht?”
„Willst du es wirklich wissen?”
„Aber sicher! Ich muss doch erfahren, was mit dir los ist! Nachspeise jetzt oder später?”
„Später bitte, aber einen Kaffee würde ich jetzt nicht ablehnen.”
„Kommt sofort.”
Rowena schickte sich an, aufzustehen und ihm beim Abräumen des Tisches zu helfen, doch er ließ es nicht zu. „Lass nur, setz dich aufs Sofa und wirf ’ne neue CD ein.”
Sie wählte die Neuaufnahme eines alten Albums von Frank Sinatra aus, kuschelte sich in die Sofakissen und schaute zu, wie Mark rasch und geübt das Geschirr in den Geschirrspüler räumte und dann den Wasserkocher einstöpselte.
„Du wolltest mir doch erzählen, wieso du den Seelendoktor nicht angerufen hast”, erinnerte er sie, während er zwei Kaffeebecher aus dem Schrank nahm.
„Wie du vielleicht noch weißt, lief eine heiße Romanze zwischen ihm und meiner Schwester, jedenfalls hat Claudia mir das so erzählt.”
„Aber an den Ladenhütern deiner Schwester, ob echt oder eingebildet, bist du nicht interessiert.” Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte.
„Genau. Und falls er nicht hinter etwas Bestimmtem her sein sollte, ruft er sicher nur aus lauter Mitleid an. Und darauf kann ich verzichten.”
„Du meinst, er hält dich für ’ne Art sozialen Härtefall?”
„Kann sein.”
„Wie sollte er denn auf so einen Gedanken kommen?”
Sie zuckte die Achseln.
„Du treibst mich zur Weißglut! Soll ich dir mal was sagen? Leg endlich mal dein Misstrauen ab! Warum sollte er denn nicht gleich auf Anhieb auf den Geschmack gekommen sein, als er dich gesehen hat?”
Sie stieß ein sarkastisches Lachen aus. „Das wage ich arg zu bezweifeln, mein Lieber!”
„Diese Art an dir kann ich auf den Tod nicht leiden”, sagte er leise. „Wirklich nicht! Du bist so attraktiv – davon hätte Claudia nur träumen können! An dir ist nichts, aber auch gar nichts Gekünsteltes. Wenn du beispielsweise in Manhattan wohnen würdest und nicht in diesem verschlafenen Pendlernest voller neureicher Spießer nebst ihren feinen Familien, dann könntest du dich vor Verehrern nicht retten. Aber was soll’s!” Er hob resigniert die Arme. „Ich sehe schon, du legst dich doch nur mit mir an. Da
Weitere Kostenlose Bücher