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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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dünne Maske, hinter der man sich verstecken konnte, obwohl einen jeder sah.
    Bis zum späten Samstagabend, als sie vom Restaurant in New Canaan kam und in dem bequemen und luxuriös ausgestatteten Mercedes heimfuhr, war es Rowena endlich gelungen, Penny aus ihren Gedanken zu verdrängen. Stattdessen sann sie über eine Liste mit Dingen nach, die zu erledigen waren. Sie musste sich dringend um einen Termin bei einem Sachverständigen bemühen, um ein Gutachten über die alten Ölgemälde zu bekommen, die sie vor Beginn der Renovierung im Keller gelagert hatte. Auch im Garten, einst Quell des Trostes und der Freude für ihren Vater, musste dringend etwas geschehen. Von Gartenarbeit verstand sie zwar nicht viel, doch sie nahm sich den Garten trotzdem als nächstes Projekt vor.
    Früh am Dienstagmorgen begab sie sich ans Werk, zog die Ränder der alten Blumenbeete neu und verbrachte mehrere Stunden damit, Unkraut zu jäten. Danach fuhr sie zu einem Gartencenter und erstand Paletten voller Blumen und Bodendecker. Während sie auf den Absätzen hockte und fein säuberlich das restliche Unkraut aus dem Boden zupfte, dachte sie zurück an ihren Vater. Sie sah ihn vor sich, wie er, in alten Baumwollhosen und mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, behutsam die Setzlinge pflanzte und sorgsam den Boden um die zarten Wurzeln festklopfte. Sie sah sich selbst, wie sie an einem milden Herbsttag neben ihm kauerte und ihm aufmerksam lauschte, wenn er erklärte, dass die Zwiebeln der soeben gepflanzten Frühjahrsblüher den Winter über ruhten, um dann in der wärmenden Frühlingssonne zu treiben. Jahr für Jahr waren diese Frühlingsboten aufs Neue erblüht, trotz des Unkrauts, durch das sie sich einfach hindurchzwängten. Rowena war, als zolle sie durch die Beseitigung des Unkrauts nun jemandem Tribut, den sie als feinen und gütigen Mann in Erinnerung behalten hatte – ein Eindruck, der nicht weichen wollte, genauso wie die immer wiederkehrenden Tulpen und Narzissen.
    Die Stunden, die sie vor langer Zeit mit dem Vater im Garten verbracht hatte, hatten ihr eine Freude bereitet, die sie nie wieder so erfahren sollte. Mark, so fiel ihr nun ein, hatte in einem Punkt tatsächlich Recht. Ihr Vater war wirklich ein liebevoller Mann gewesen. Sowohl sie als auch ihr Bruder Cary hatten von den besinnlichen Gesprächen im damaligen Garten des Vaters profitiert. Claudia hingegen war für den Einfluss des Vaters noch zu klein gewesen. Als sie vier wurde, war er bereits fort.
    Rowena aber hatte die liebevolle Zuneigung von George Graham immerhin sieben Jahre erfahren dürfen, sieben Jahre auch, in denen er ihr geduldig beigebracht hatte, wie alles wächst und gedeiht, wenn man es hegt und pflegt. Nun war ihr, als führten ihr seine Worte die Hand, während ihre Finger zupften und pflanzten und der Garten ihres Vaters nach und nach wieder Gestalt und Farbe annahm. Und während sie die Büsche stutzte und den Boden darunter von Laub und Zweigen befreite, während die Regenwürmer sich in der gewendeten Erde wanden und die Käfer in ihre Verstecke huschten, gewann auch das Bild des Vaters an Kontur. Sie wünschte ihm, dass er noch am Leben war, irgendwo, mit einer zweiten Familie vielleicht, mit Kindern, denen er die simplen Metaphern des Gartens nahe bringen konnte. Und wenn er tatsächlich noch lebte, würde sie ihn möglicherweise eines Tages finden.

10. KAPITEL
    D ass so viele Gäste tatsächlich draußen auf der Terrasse zu essen wünschten, setzte Rowena in Erstaunen, besonders deshalb, da sie selbst einem Dinner im Freien nur wenig abgewinnen konnte. Es spielte offenbar auch keine Rolle, dass Besucher schon mal an der Bar warten mussten, bis ein Tisch frei wurde, was neben der allgemein verbesserten Ertragslage des Lokals zusätzlich noch für eine Umsatzsteigerung sorgte. Nach zwei Wochen kam man nicht umhin, Plätze auf der Terrasse ausschließlich gegen Reservierung zu vergeben. Ians Idee erwies sich als Volltreffer.
    Außerdem zeigte sich jedermann von Kip angetan, der nicht zu bremsen war. Er füllte die Brotkörbchen wieder auf, war wie der Blitz zur Stelle, wenn schmutziges Geschirr abgeräumt werden musste, schenkte Kaffee nach, brachte hier zusätzliche Sahne, dort einen fehlenden Löffel oder andere Dinge, die der Gast begehrte. Er half aus, ohne dabei aufdringlich zu wirken, und sprang bereitwillig ein, wo er gebraucht wurde. Fiel ihm auf, dass der Kaffee zur Neige ging, setzte er ungefragt frischen auf. Bemerkte er, dass die

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