Abschied aus deinem Schatten
Schenkel gespreizt, ließ sie sich langsam nieder, ließ sich auf ihn, über ihn gleiten, nahm ihn auf, sekundenlang atemlos, regungslos verharrend, das Herz wie irrsinnig hämmernd, bis ihr Körper sich entkrampfte, bis sie bereit war. Mehrfarbige Schattenmuster fielen vom Fernseher her auf ihre Körper, grelle, zuckende Lichtblitze. Hektisch, außer sich vor Erregung, verlor sie dauernd den Rhythmus, während er sie hielt, die Hände auf ihren Hüften. Ihr war, als löse sie sich auf, bis etwas in ihrem Hirn explodierte, bis sämtliches Denken verlöschte und sie die Augen schloss, sich fallen ließ und nur hoffen konnte, dass er sie auffing.
Dies war die erotische Begegnung, die sie ihr ganzes erwachsenes Leben lang herbeigesehnt hatte, eine Erregung, so erschreckend, so tief wie nie zuvor. War es möglich, so fuhr es ihr in einem letzten lichten Moment durch den Kopf, dass man daran sterben konnte, wenn man so rückhaltlos die Beherrschung verlor? Und wenn schon – es wäre ihr egal gewesen! Bisherige Begegnungen hatten sie nur schwach stimulieren können, hatten lediglich angedeutet, was alles möglich war. Exotische Bilder, exotische Düfte – sie hatten ihre Sinne am Leben erhalten. Nunmehr erfuhr sie, wie grenzenlos ausgehungert sie war.
Die Vereinigung endete in einer derart heftigen Erschütterung, dass sie glaubte, ohnmächtig geworden zu sein. Sie schlug die Augen auf. Entsetzt stellte sie fest, dass sie, die Hand zwischen die gespreizten Schenkel gepresst, auf dem Rücken lag, noch zuckend vom vorausgegangenen Orgasmus. Sie zog die Hand fort, drehte sich, die Knie zusammengezwängt, auf die Seite und ließ sich erschöpft zurück in den Schlaf sinken.
Am nächsten Morgen unter der Dusche wurde ihr der erotische Traum mit Reid wieder gegenwärtig. Zornig vor Scham und Erniedrigung lehnte sie sich gegen die Wand und begann zu weinen. Und während der Wasserstrahl schmerzhaft auf ihre Haut niederprasselte, begriff sie, wie sehr sie sich in diesem Traum zu erkennen gegeben hatte. Erbärmlich und elend kam sie sich vor. All das dumme Gerede, es gehe auch ohne die Männer – im Schlaf aber, da offenbarte sich das Innerste.
Nach einiger Zeit setzte sich dann doch ihr unverwüstlicher gesunder Menschenverstand durch. Im Grunde war ja nichts Schlimmes passiert, so sagte sie sich, während sie sich aufrichtete und nach dem Shampoo griff. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie sich selbst berührt hatte. Viel zu häufig war es vorgekommen, wenn Gil sich aus ihrem Bett verzogen hatte und nach Hause gefahren war, während sie, noch unerfüllt, sein unvollendetes Werk selbst zu Ende bringen musste. Was in der Stille ihres Schlafzimmers, was in ihren geheimsten Träumen geschah, das wusste nur sie.
„Also? Wie fandest du Richard?” wollte Mark wissen. „Sag die Wahrheit! Und da, was ist da drin?” Er wies auf den Karton, der neben der Hintertür stand.
„Ein paar von Claudias Rechnungen. Die habe ich mir gestern Abend mal genauer angesehen. Und du? Wie hat er
dir
denn gefallen?” konterte sie, wobei sie den französischen Toast vom Backblech nahm.
Er nippte an seinem Kaffee, bevor er mit einer Gegenfrage antwortete. „Wieso kontrollierst du denn mitten in der Nacht Rechnungen?”
Rowena lächelte ihn an. „Du fragst hartnäckig wie ein Fünfjähriger! Ich habe etwas gesucht! Zufrieden? Und mitten in der Nacht war es auch nicht.”
„Ach herrje, schlecht aufgelegt, wie? Nicht ausgeschlafen oder mit dem falschen Fuß aufgestanden?”
„Du wolltest mir doch von Richard erzählen!” erinnerte sie ihn, während sie den Tisch deckte.
„Er kommt mir ungeheuer anständig vor. Zurückhaltend, aber aufrichtig. Das hat mich ja auch so beeindruckt, als er der Selbsthilfegruppe beitrat. Er hat mit einer unglaublichen Offenheit dargestellt, wie es mit seinem Gefühlsleben bestellt ist, obgleich es nicht einfach war, weil er wusste, dass er Hilfe brauchte. Das fand ich bewundernswert, denn ansonsten bleibt er lieber für sich, ist mehr der introvertierte Typ.”
„Ach bitte, Mark! Komm mir nicht mit introvertiert und ähnlichem Unsinn! Für sich bleiben – das will doch jeder von uns. Sag einfach, er ist schüchtern! Ist doch nichts dabei!”
„Du bist aber erheblich mehr als nur schlecht aufgelegt heute Morgen!” Er hob beide Hände, als wolle er Hiebe abwehren. „Ist gestern Abend irgendwas vorgefallen?”
„Entschuldige, ich bin einfach müde. Aber jetzt mal im Ernst. Richard hat mir
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