Abschied aus deinem Schatten
siehst du gleich als Beziehung?”
„Ach, Mark! Das ist bei mir nicht anders als bei dir! Du bist nach dem Dinner mit Richard doch auch hin- und hergerissen, oder?”
„Schon, aber zumindest hingegangen bin ich! Du dagegen willst nicht mal das riskieren!”
„Wann triffst du dich wieder mit ihm?”
„Nächsten Sonntag. Wir wollen zum Lunch oder ins Kino gehen. Der Witz ist eben, dass wir uns beide nicht über unsere Gefühle im Klaren sind. Also machen wir zunächst mal in Freundschaft, wobei wir natürlich den Vorteil haben, dass wir über unsere jeweilige Vergangenheit Bescheid wissen. Bei dir hingegen ist es so, dass dieser Therapeut dich nervös macht, weil du nichts über seine Vergangenheit weißt. Das ist dein Problem, stimmt’s?”
Nach einigem Nachdenken musste sie zustimmen. „Ja.”
„Also, ich sehe es folgendermaßen: Der Typ sieht so blendend aus, dass du dich im Vergleich zu ihm wie eine Vogelscheuche fühlst. Liege ich damit richtig?”
„Ja.”
„Schon mal drüber nachgedacht, ob er dich nicht vielleicht so gut aussehend findet, dass er sich selbst vorkommt wie Rumpelstilzchen?”
Sie lachte auf. „Netter Versuch!”
„Die Wahrheit, wie ich finde, aber was soll’s! Falls er anruft und dich fragt, verabredest du dich dann mit ihm?”
„Möglicherweise.”
„Na”, sagte er achselzuckend, „immerhin ein Fortschritt. Also, wozu wühlst du dich mitten in der Nacht durch die Kiste mit Claudias Sachen?”
„Ich wollte nachsehen, ob es stimmt, dass sie Reid mit dutzenden von Anrufen traktiert hat. Er jedenfalls behauptete das. Dutzende waren es zwar nicht, aber in einem Monat doch an die zwanzig.”
„Na hör mal, wenn du auf keinen Fall von jemandem angerufen werden möchtest, dann sind zwanzig erheblich zu viel.”
„Das stimmt allerdings.”
Einige Minuten lang aßen sie schweigend weiter.
„Schmeckt hervorragend”, lobte Mark schließlich und schenkte sich Kaffee nach.
„Übrigens, ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, am Mittwoch zum Dinner zu kommen.”
„Na sicher! Aber glaub bloß nicht, du könntest mich hinters Licht führen! Ich weiß, dass du Mittwoch Geburtstag hast, mein Schatz. Eigentlich wollte ich dich groß ausführen, aber wenn du lieber auf eine Feier verzichtest, habe ich Verständnis dafür. Wie fühlt man sich denn so, wenn man vierzig wird?”
„Überwiegend erleichtert und froh, dass ich nicht mehr jung bin. Du kannst gleich nach Feierabend herüberkommen und mir beim Kochen Gesellschaft leisten. Und dass du nicht auf den Gedanken kommst, mir ein Geschenk zu kaufen! Das ist mein voller Ernst!”
„Heute benimmst du dich aber wirklich merkwürdig, du verrückter kleiner Kohlkopf! Was verheimlichst du mir eigentlich?”
„Was würdest du sagen”, fragte sie mit einem unüberhörbaren Zittern in der Stimme, „wenn ich dir erzählen würde, dass Claudia sich mit ihren Männerbekanntschaften im Bett filmen ließ?”
Forschend sah er ihr in die Augen. „Du hast Videos gefunden, hab ich Recht?”
Sie nickte.
„Nur einige oder viele?”
„Eine ganze Menge. Ich habe es mir erspart, sie mir alle anzuschauen.”
„Und auf jedem Band ist ein anderer Typ?”
Wieder nickte sie.
„Der Seelendoktor auch?”
„Mein Gott, nein!”
Er nahm einen Schluck Kaffee, wobei er sie unvermindert musterte. „Und jetzt, nachdem du dir die Kassetten angeschaut hast, kommst du dir pervers vor, was?”
„Ziemlich.”
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Nichts für ungut”, sagte er, „aber du bist hinreißend naiv!” Er fuhr ihr mit den Fingern über die Wange und zog die Hand zurück. „Manche Leute behalten eben Souvenirs. Bei Claudia waren die offensichtlich visueller Natur. Hab schon öfter davon gehört. Du leider allerdings zum ersten Mal, wie man unschwer erkennt.”
„Was denn, du kennst tatsächlich Leute, die sich beim Sex auf Video aufnehmen?”
„Klar, einige schon. Das ist im Grunde fast das Gleiche wie die Spiegel unter der Decke – der reine Narzissmus. Manche fahren auf so was ab, wenn sie sich in Aktion sehen. Mein Geschmack ist das zwar nicht, aber so ist es nun mal. Was hast du denn mit den Dingern gemacht? Weggeworfen?”
„Erst habe ich sie in kleine Schnipsel zerschnitten und dann weggeschmissen.”
Er lächelte, da sie so energisch wurde. „Dann sind sie also weg. Damit hat sich’s dann ja wohl!”
„Aber die Aufnahmen waren richtig obszön, Mark!”
„Ach, das wage ich aber zu bezweifeln! War
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