Abschied in Dunkelblau
Bord, und als er spürte, daß sie zu benommen, erschöpft und durcheinander war, um auch nur ein Anzeichen von Widerstand zu leisten, war er zu ihr ins Haus gezogen.
»Ich kann mir das überhaupt nicht erklären«, flüsterte sie im Dunkeln. »Es gab überhaupt nichts mehr, was vor ihm war. Die einzige Vergangenheit, die ich kannte, war er. Und er füllte die Gegenwart aus, und eine Zukunft gab es nicht. Ich verspürte ihm gegenüber auch keine Abscheu mehr. Und ich dachte von ihm auch nicht mehr als Mensch. Er war eine Naturgewalt, die ich akzeptieren mußte. Und irgendwie fing es an, schrecklich wichtig zu sein, ihm zu gefallen - mit dem Essen, das ich für ihn kochte, mit den Drinks, die ich ihm mixte, den Kleidern, die ich für ihn wusch, und dem andauernden Sex. Es fiel mir leichter, wenn ich immer ein bißchen betrunken war. Wenn ich ihn bei Laune hielt, schien selbst diese Art von Leben erträglich. Er machte aus mir ein verängstigtes Ding, ich beobachtete ihn die ganze Zeit, um sicher zu sein, daß ich genau das tat, was er von mir wollte. Ich nehme an, das ist eine Art körperlicher Reaktion auf ihn, kein Vergnügen. Eine schreckliche Form der Erlösung, wenn man gebrochen wird. Er wußte bald, wie er das anstellen mußte, und lachte mich dann aus. Dann ging er mit seinem Boot weg, und es änderte sich nichts, dann kam er wieder hierher, und es war genauso wie vorher. Ich glaubte nicht einmal mehr, daß es jemals aufhören würde. Ich war zu sehr damit beschäftigt, es von einer Stunde zur nächsten zu schaffen.«
Dann schlief sie ein. Ich ging in die Nacht hinaus. Die Tropenerde war wie dampfgereinigt, Käfer zirpten, Kröten quakten, und die Bucht lag da wie ein mondsilberner Spiegel. Ich setzte mich ans Ende des Bootsstegs, blies den Moskitos Rauch ins Gesicht und fragte mich, warum ich so zynisch von ihr dachte.
Es stimmte zwar, daß sie eine sensible und introvertierte Frau war, es stimmte ebenfalls, daß Junior Allen ein grausamer und grober Bastard war, aber ich konnte nicht ganz nachvollziehen, wie sie dadurch in einen solchen Zustand versetzt wurde, daß er sie so mißbrauchen konnte. Im letzten Jahrhundert galt dies als ein Schicksal, das schlimmer war als der Tod, aber sie war ein erwachsenes weibliches Wesen, und er war, ungeachtet seiner Annäherungsmethode, zu ihrem Liebhaber geworden und hatte mit der Zeit sogar sinnliche Reaktionen in ihr hervorgerufen. Ich dachte an ihre gescheiterte Ehe und fragte mich, ob sie nicht vielleicht bloß eine Neurotikerin war, die sowieso auf einen Nervenzusammenbruch zusteuerte, und Junior Allen den Prozeß nur beschleunigt hatte.
Ich beobachtete die vorbeiziehenden Positionslichter eines Schiffes, das den Kanal hinunterfuhr, hörte das verzerrte Geschrei eines Nachtvogels und das entfernte Maunzen einer läufigen Katze.
Ich ging ins Haus, fand sie in tiefem Schlaf vor und ging im Zimmer nebenan zu Bett.
Seis
Am nächsten Morgen nahm sie ein kräftiges Frühstück zu sich, und es schien ihr gut genug zu gehen, daß ich sie eine Weile allein lassen konnte. Ich fuhr mit Miss Agnes davon, holte die Wäsche ab und suchte danach Jeff Bocka auf, den Immobilienmakler, dessen Reklameschild in Lois Atkinsons Vorgarten stand.
Sein Gesicht und sein Kopf waren so rund und so rosig wie ein Wasserball. Er war von jener vollständigen, ekelerregenden Haarlosigkeit, wie sie von manchen Krankheiten hervorgerufen wird, hatte einen Glatzkopf und weder Brauen noch Wimpern, bernsteinfarbene Augen und kleine, gelbe Zähne.
»Natürlich kann ich dieses Haus verkaufen. Ich kann es verkaufen, wenn ich es zeigen kann, Kumpel. Aber ich kann es niemandem zeigen, wenn die verrückte Alte nicht mitspielt. Ich habe Termine ausgemacht. Zweimal. Und was passiert? Das Haus ist eine Katastrophe, und sie ist eine Katastrophe. Das erste Mal war sie zehn Minuten lang ganz normal, dann fängt sie an, meine Kunden anzuschreien. Beim zweiten Mal hat sie uns gar nicht erst reingelassen. Das Haus ist vollständig bezahlt und hypothekenfrei. Es liegt ein Gutachten vor. Kein Zweifel am Besitzrecht. Ein solides Haus in einer guten Gegend. Direkt am Wasser. Ich kann es morgen für fünfundvierzig verkaufen, aber keiner kauft ein Haus, das er sich vorher nicht ansehen kann, Kumpel.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich das nächste Mal dort vorbeikomme, nehme ich mein Schild vom Rasen.«
»Falls sie es immer noch verkaufen will, wenn sie auszieht, lasse ich Ihnen die Schlüssel da.«
»Und wie
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