Abschied in Dunkelblau
»Und du hast sie da bei dir auf dem Boot?«
»Bis sie sich besser fühlt.«
Sie ging quer durch das Zimmer, legte die Kostüme in einen kleinen Koffer und machte den Deckel zu. »Vielleicht braucht sie Hilfe nötiger als ich?«
»Sie braucht eine andere Art von Hilfe.«
»Was wirst du als nächstes tun?«
»Herausfinden, wo dein Vater das Geld herhatte, falls ich kann.«
»Wie spät ist es?«
»Kurz nach fünf.«
»Ich muß mich umziehen und da hingehen.«
»Nimmt dich jemand mit?«
»Ich nehme meistens den Bus.«
»Ich kann warten und dich hinfahren.«
»Ich will dir keine Mühe machen, Trav.«
Ich wartete. Sie duschte kurz und kam in einer rosaroten Bluse und einem weißen Rock aus dem Schlafzimmer. Augenblicke später war die Bluse feucht und klebte an ihr. Ich fuhr sie hinaus zu Teabolts Mile O’Beach Hotel und kehrte nach Bahia Mar zurück. Mein Schützling war aufgestanden. Ihre Augen waren noch ganz verquollen, aber sie hatte sich mit der Ausrüstung in meiner Kombüse aus rostfreiem Stahl vertraut gemacht, trug ein hübsches Baumwollkleid, das noch ein klein wenig zu weit war, hatte zwei herzhafte Steaks aus dem Gefrierschrank genommen und sie zum Auftauen hingestellt. Sie schien sich der Lage etwas besser bewußt zu sein, zaghaft bewußt, daß sie zur Last werden könnte.
»Ich könnte kochen und saubermachen und mich um die Wäsche kümmern und solche Sachen, und alles andere, was ich sonst für Sie erledigen kann, Trav.« »Falls Sie sich dazu imstande fühlen.«
»Ich will nicht einfach nur tatenlos herumsitzen.«
»Ihre Aufgabe ist es, gesund zu werden.«
Ich nehme an, das war nicht besonders charmant von mir. Meine Gewohnheiten sind die eines Junggesellen und neigen etwas zur Pedanterie. Ein liebenswürdiger Gast für ein paar Tage ist eine Sache. Eine Kreuzfahrt mit einer kleinen Gruppe ist eine andere Sache. Aber eine Dame als Dauergast ist ein potentielles Ärgernis.
»Ich kann meinen Anteil bezahlen«, meinte sie kleinlaut.
»Ach, um Himmels willen!« brüllte ich los. Sie flüchtete sich in ihre Kabine und machte leise die Tür zu.
Nach zwanzig Minuten schämte ich mich ausreichend, um nach ihr zu sehen. Sie lag quer über dem großen Bett und war fest eingeschlafen. Ich machte mir einen Drink und ging damit umher, bis das Glas leer war, dann machte ich mir noch einen Drink, ging zu ihr hinein und rüttelte sie wach.
»Falls Sie kochen wollen, jetzt wäre die Zeit dazu.«
»In Ordnung, Trav.«
»Medium.«
»Ja, mein Lieber.«
»Seien Sie nicht so verdammt unterwürfig!«
»Ich werd’s versuchen.«
Nach dem Abendessen, nachdem sie die Kombüse aufgeräumt hatte, führte ich sie in die Lounge und fragte sie, ob sie sich wohl genug fühlte, Fragen zu beantworten.
»Worüber?«
»Über Junior Allen.«
Ihr Mund verzog sich, und sie schloß für einen Augenblick die Augen. Sie machte sie wieder auf und sagte: »Sie können mir Fragen stellen.«
Aber zuerst mußte ich sie einweisen. Ich mußte ihr verständlich machen, warum ich Fragen stellen mußte und was ich wissen wollte. Sie kannte den Dorfklatsch über Junior Allen und die Schwestern. Ich machte sie mit den Tatsachen vertraut, soweit ich sie kannte.
Mit einemmal war es mit ihrer neugefundenen Gemütsruhe nicht mehr so weit her. Sie starrte mich im Schein der Lampe an. »Er hat eine Menge Bargeld dabeigehabt, als er zurückgekommen ist. Ich habe ihm nichts gegeben. Also hat er alles, das Boot und alles, von dem gekauft, was er in dem Haus gestohlen hat, in dem er gelebt hat?«
»Das ist die einzige Erklärung.«
»Aber was könnte das gewesen sein?«
»Etwas, womit er nach New York gehen mußte, um es loszuschlagen.«
»Travis, warum sind Sie an all dem so sehr interessiert?«
Ich versuchte, ihr beruhigend zuzulächeln, aber nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte ich keinen Erfolg. »Ich werde es ihm wieder abnehmen«, sagte ich, und meine Stimme klang mir fremd.
»Das verstehe ich nicht.«
»Und behalte etwas davon für mich und gebe Cathy ihren Anteil.«
»Bedeutet sie Ihnen viel?«
»Genausoviel wie Sie.«
Sie dachte darüber nach. »Ist das ... tun Sie das beruflich?«
»Es ist allgemein gesagt das, was ich tue, wenn ich Geld brauche.«
»Aber ... er scheint so ein gefährlicher Mann zu sein. Und vielleicht hat er inzwischen alles ausgegeben. Und falls nicht, wie wollen Sie ihm denn irgend etwas wegnehmen? Ich glaube nicht, daß das geht, ohne ihn umzubringen.«
»Das würde ich als
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