Abschied in Dunkelblau
hat sie über das ganze Boot gejagt, und als er sie in eine Ecke gedrängt hat, ist sie ins Meer gesprungen. Sie ließ sich treiben, lachte und kiekste. Sie war nackt. Im Wasser sah sie ganz dunkel aus, und ich konnte ihren Schatten auf dem weißen Sand am Meeresboden sehen. Er rannte davon und holte eine Pistole. Es hat mich überrascht, daß sie ein so leises, knackendes Geräusch abgegeben hat, aber die Kugeln ließen das Wasser dicht neben ihr aufspritzen, da ist sie schnell zur Badeleiter geschwommen und an Bord geklettert. Er packte sie am Genick, und sie spuckte die Murmel in seine Hand. Er hielt sie weiter fest und schlug mit der Faust so hart auf sie ein, daß sie den Rest des Tages stöhnend in einer der Kojen unter Deck zugebracht hat. Die Murmel war ganz dunkelblau. Er mußte immer wieder daran denken und wurde immer wieder aufs neue wütend. Er schrie dann hinunter und verfluchte sie. Einmal oder zweimal ist er nach unten gegangen und hat sie noch einmal geschlagen.« Sie starrte mich mit leblosen Augen an und fuhr fort: »Ich glaube, ich erinnere mich deshalb daran, weil das die längste Zeit gewesen ist, die sie mich in Ruhe gelassen haben. Danach habe ich immer wieder an die Pistole gedacht. Ich habe versucht, sie zu finden, aber vergebens. Als er mich beim Suchen ertappt hat, hat er es erraten, mich ihr überlassen und zugesehen, wie sie mich geschlagen hat. Sie ließ es so aussehen, als würde sie mich härter schlagen, als sie es in Wirklichkeit tat. Sie hat kein Mitleid gehabt, sie wollte mich nur nicht so schwer verletzen, daß ich ihr nicht mehr nutzen konnte. Sie war schrecklich hart und muskelbepackt und stark. Ihre Beine und Schenkel waren wie aus dickem, poliertem Mahagoni. Sie lachte andauernd ohne Anlaß, trällerte den ganzen Tag mit einer unmelodiösen, schrillen Stimme und in sehr schlechtem Französisch. In meinem leeren Haus, Trav, bevor Sie gekommen sind, habe ich sie singen hören, als wäre sie im Zimmer nebenan.«
Etwas von dem alten, verrückten Glitzern kehrte in ihre Augen zurück. »Soll ich einmal singen wie Fancha, wollen Sie das mal hören?«
»Lassen Sie’s gut sein, Schätzchen.«
»Hätten Sie gerne, daß ich lache und tanze wie Fancha?«
Sie hatte angefangen, heftig zu zittern. Ich beeilte mich, die Tabletten zu holen, und gab ihr eine von den starken. Sie versuchte nicht, sich zu wehren. Innerhalb von fünfzehn Minuten lag sie im Bett und schlief.
Nachdem ich die schauerliche Erscheinung Fanchas von meinem geistigen Auge vertrieben hatte, begann ich, Pläne zu machen. Ein Ausflug nach Leavenworth schien trügerisch einleuchtend. Gefängnispersonal zu vernehmen, ist mehr als mühsam. Sie leben streng nach den Regeln. Sie benötigen Dokumente und Ausweispapiere und behördliche Genehmigungen. Wenn man die nicht vorweisen kann, fragen sie sich unweigerlich, ob man nicht gekommen ist, um jemandem zur Flucht zu verhelfen. Ich beschloß, daß dies die letzte Rettung war. Ich würde allen anderen Hinweisen nachgehen, und wenn sie sich alle in Rauch auflösen würden, dann müßte ich nach Kansas fahren, sehen, was sich machen ließ, und versuchen, jemanden herumzukriegen.
Bevor ich schlafen ging, schaute ich bei meinem Schützling hinein. Im schwachen Lichtschein sah sie nicht älter aus als neunzehn, sanftmütig, unberührt von jeglicher häßlichen Erfahrung.
Siete
Am nächsten Morgen probierte ich es bei den William Callowells von Troy im Bundesstaat New York.
In solchen Fällen bleiben die Erfolgsaussichten gering. Falls er diesen Krieg überlebt hat, falls er nicht mit der Polizei in Konflikt geraten ist und persönliche Katastrophen vermieden hat, könnte er vielleicht ein Herumstromer sein, und diese Adresse wäre in der Welt eines Nichtseßhaften längst überholt.
Troy führte zwei davon auf. William B. und William M. Der tüchtige Mann von der Telefongesellschaft besorgte sich beide Nummern von der Auskunft in Troy, und ich probierte sie in alphabetischer Reihenfolge. Bei William B. gab man uns eine andere Telefonnummer. Eine Mädchenstimme meldete sich mit Double A Plastics, und drei Minuten später hatte ich die argwöhnische Stimme von William B. am Apparat. Ein Pilot im Zweiten Weltkrieg? Nein, zum Teufel, er war sechsundzwanzig Jahre alt, Diplomchemiker, lebte noch nicht einmal seit einem Jahr in Troy, wußte, daß ein weiterer Wm. im Telefonbuch stand, konnte aber nichts über ihn sagen. Vielen Dank auch. Gern geschehen, keine Ursache.
Die
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