Abschied in Dunkelblau
Einzelgänger gewesen. Wir haben wahrscheinlich fünfundzwanzig Flüge zusammen gemacht, ungefähr zehn davon nach China und zurück. Dann sind wir eines Nachts von Kalkutta zurückgekommen, und ich habe die Maschine auf etwa dreihundert Meter heruntergebracht, da hat der Steuerbordmotor Feuer gefangen, ohne jegliche Vorwarnung. Da gings richtig ab. Ich hab’ sie so hoch gekitzelt, wie ich mich getraut habe, hab’ sie ausgerichtet, und wir sind raus, eins, zwei, drei. Fünf Sekunden, nachdem sich mein Schirm geöffnet hat, ist der Flügel abgebrannt und wie ein Stein heruntergestürzt, und fünf Sekunden später bin ich in einem Blumenbeet genau vor dem Krankenhaus gelandet und habe mir das Fußgelenk und das Knie verrenkt. Wirklich sehr praktisch. Ich hoppelte hinein, meinen Arm um eine große, kräftige Krankenschwester geschlungen. Berry und Brell haben mich besucht und mir eine Flasche mitgebracht und sich bedankt, danach habe ich sie nie wiedergesehen.«
»Haben Sie jemals Gerüchte darüber gehört, daß Berry zu Geld gekommen ist?«
»Ich glaube mich zu erinnern, ein paar vage Andeutungen gehört zu haben. Er war so ein Typ. Sehr zäh und verschwiegen und clever.«
»Wie könnte er es angestellt haben?«
»Zu dem Zeitpunkt ist der naheliegendste Weg gewesen, Gold zu schmuggeln. Man hat es in Kalkutta kaufen und auf dem Schwarzmarkt von Kunming für mehr als das eineinhalbfache dessen verkaufen können, was man dafür bezahlt hat. Und man hat amerikanische Dollar dafür bekommen. Oder man hat indische Rupien genommen und sie bei der Lloyd Bank in Dollar umgetauscht. Oder aber man hat das Gold mit Rupien gekauft. Das ist ganz flexibel gehandhabt worden. Aber sie sind dahintergekommen. Dieses Risiko habe ich nicht eingehen wollen. Ich habe natürlich gewußt, daß es auch einen Schatten auf mich werfen würde, falls Brell und Berry das tun und erwischt werden. Also habe ich die Augen offengehalten. In China hat man damals mit Gold viel machen können. Dort herrschte eine galoppierende Inflation, und es gab verdammt wenig Möglichkeiten, Gold ins Land zu bekommen. Man hat sogar einen Schnitt gemacht, indem man Rupien in großen Scheinen nach China geschmuggelt hat. Man sagt, die Chinesen hätten die Rupien im Handel mit Japan eingesetzt. Die Japaner haben die Rupien gern genommen, um damit ihre Spionage in Indien zu finanzieren. Mensch, die Chinesen haben mit den Japanern sogar Packesel gegen Salz getauscht. Ich glaube, Berry ist ein Tauschhändler gewesen. Er hat die Schlitzohrigkeit der Einheimischen gehabt und, glaube ich, das Talent, Leute zu manipulieren. Einmal hat er mich wahrscheinlich ausgelotet, aber mit Bestimmtheit kann ich das nicht sagen. Ich muß ihm wohl die falschen Antworten gegeben haben.«
»Sind er und George Brell sich sehr nahe gekommen?«
»Ich will mal sagen, näher, als das zwischen einem Lieutenant und einem Sergeant üblich gewesen ist, selbst in einer Flugzeugbesatzung. Sie sind eine ganze Weile zusammengewesen.«
»Dann wäre Brell, wenn er noch am Leben ist, der nächste, mit dem ich reden müßte.«
»Ich weiß, wo Sie den finden können.«
»Tatsächlich!«
Er zögerte. Sein Geschäftssinn hatte eingesetzt. Er hatte etwas, was jemand anders haben wollte, also mußte er einen Augenblick innehalten und überlegen, welchen Nutzen er daraus ziehen konnte. Dieser Reflex brachte ihn wieder ganz zurück aus dem alten Dschungelkrieg im Hinterstübchen seines Gedächtnisses, in dem er einmal Lieutenant Callowell gewesen war, umtriebig, schnell und sehr darauf bedacht, seine alltägliche Angst zu verbergen und zu beherrschen. Er schlüpfte zurück in die Verkleidung des gewichtigen William M. Callowell, mit Geld und Autorität reichlich ausgestattet, ein gewiefter Ingenieur und Geschäftsmann, insgeheim vielleicht besorgt über Impotenz, Steuerprüfungen und Herzanfälle. Ich konnte deutlich spüren, daß er nicht oft an den Krieg dachte. Es gibt Kinder mittleren Alters, die einen Teil jeden Tages darauf verschwenden, an die Zeit auf der Universität oder im Krieg zu denken, aber diejenigen, die zu wirklichen Männern heranwachsen, haben nicht das weinerliche Bedürfnis nach dem Flair vergangener Wichtigkeit, und zu denen zählte Callowell.
Er zündete seine Pfeife wieder an und verlagerte sein Gewicht. »Vor zwei Jahren ist ein Artikel über unsere Firma in Newsweek erschienen, im Zusammenhang mit dem Bundesfernstraßenprogramm. Ein Foto von mir war dabei. Ich habe Briefe von
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