Abschied in Dunkelblau
nicht.«
»Verzeihung. Wieso glauben Sie nicht, daß er das tut?«
»Weil er, wenn er es täte, sie irgendwo hingebracht hätte, wo er dabei nicht gestört wird. Bedenkt man allerdings, wie sie ausgesehen hat, ist das der nächste Schritt, George.«
Er fuhr noch etwas langsamer. »Ja, das klingt einleuchtend. Sicher. Wahrscheinlich versucht er, sie dazu zu überreden. Er hängt schon einen Monat oder so bei uns herum. Trav, das ist schon der zweite Gefallen, den Sie mir heute abend getan haben.«
»Außerdem gibt sie nicht allzuviel auf den Jungen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Als sie davongelaufen ist, hatte er sich noch kein bißchen bewegt. Sie konnte nicht wissen, ob ich ihn umgebracht hatte.«
»Das stimmt! Ich fühle mich von Minute zu Minute besser. McGee, Sie müssen einen hübsch harten Schlag haben.«
»Er ist sehr leicht zu treffen. Und Sie fahren schon wieder zu schnell.«
Wir kamen nach Brownsville. Er bog verwirrend oft ab und stellte den Wagen auf einem kleinen Grundstück in einer Seitenstraße ab. Wir gingen einen halben Häuserblock zu Fuß durch die stickig heiße Nacht zu dem schäbigen Eingang eines kleinen Privatclubs, eines Herrenclubs, mit einer gemütlichen Bar und dem guten Duft von Grillsteaks sowie einem Kartenzimmer, in dem einige ins Spiel vertiefte Pokerspieler unter grünen Lampenschirmen saßen.
Wir standen an der Theke, und er sagte: »Einen Schlüssel für meinen Freund, Clarence.«
Der Barkeeper zog eine Schublade auf, holte einen Messingschlüssel heraus und legte ihn vor mich auf die Theke. »Das ist Mr. Travis McGee, Clarence. Trav, dieser Schlüssel gilt das ganze Leben. Mitgliedschaft auf Lebensdauer kostet einen Dollar. Geben Sie Clarence den Dollar.« Ich reichte ihn hinüber. »Bares auf den Tisch für alles hier. Keine Beiträge, keine Bonitätsprüfung, keine Mitgliedsausschüsse. Und ein gutes Dampfbad.«
Wir nahmen unsere Gläser, und ich folgte George zu einem Ecktisch. »Wenn ich nur wüßte, was ich mit diesem Mädel machen soll, Himmel noch mal.«
»Haben sich Gidge und Tommy nicht auch gut gemacht?«
Das überraschte ihn. »Ja. Klar.«
»Machen Sie sich nicht so viel Sorgen um sie. Sie ist ein sehr gut aussehendes Kind, George. Und wahrscheinlich ist sie auch kerngesund. Wahrscheinlich würden Sie weiße Haare bekommen, wenn Sie alles über Gidge und Tommy erfahren hätten, als die in diesem Alter gewesen sind.«
»Mein Gott, wenn Sie zwanzig Jahre älter wären, McGee, würde ich Sie für den Rest des Sommers als Wachhund für sie engagieren.«
»Sie würden mir nicht ganz vertrauen können.«
»Jedenfalls betrachten Sie das, weswegen Sie mich aufgesucht haben, als so gut wie erledigt. So viel bin ich Ihnen schuldig.«
»Ich brauche Informationen.«
»Die kriegen Sie.«
»Wieviel hat Dave Berry in Übersee gestohlen, wie hat er es gestohlen, und wie hat er es nach Hause in die Vereinigten Staaten geschmuggelt?«
Das warf ihn so plötzlich in eine völlig andere Welt, daß es schien, als hätte man ihn von innen nach außen gekehrt. Sein Gesicht wurde grünlich gelb. Seine Augen schossen hin und her, als wollten sie nach einem Versteck Ausschau halten. Er machte dreimal den Mund auf, um etwas zu sagen, und machte ihn jedesmal wortlos wieder zu. Dann fragte er, deutliche Pausen zwischen den Worten lassend: »Sind Sie Steuerfahnder?«
»Nein.«
»Was sind Sie dann?«
»Ich versuche nur, über die Runden zu kommen, mal auf diese, mal auf jene Weise. Sie können das ja verstehen.«
»Ich habe einmal einen Sergeant David Berry flüchtig gekannt.«
»Also wenn Sie es so haben wollen?«
»Anders geht es nicht.«
»Wovor haben Sie Angst, George? - Vor Berry brauchen Sie keine Angst haben. Der ist schon seit zwei Jahren tot.«
Es überraschte ihn, aber nicht überzeugend genug. »Tot? Das habe ich nicht gewußt. Hat man ihn freigelassen, bevor er gestorben ist?«
»Nein.«
»Es ist kein Geheimnis, daß ich für ihn eine Zeugenaussage machen mußte. Ich war damals noch nicht entlassen. Ich mußte ins Presidio gehen, wo sie ihm den Prozeß gemacht haben. Damals habe ich ausgesagt, daß ich zwei Jahre mit ihm gedient habe und daß er ein guter, kompetenter Unteroffizier gewesen ist. Ich habe gesagt, daß ich ein paarmal erlebt habe, daß er wütend geworden ist, aber er hat nie jemandem etwas angetan. Er hatte getrunken. Einem Arschloch von einem Leutnant mit brandneuen Goldstreifen, der noch nie in Übersee war, hat die Art nicht gefallen, wie
Weitere Kostenlose Bücher