Abschied in Dunkelblau
nichts von zu Hause mitgebracht, Trav, ich komme aus einem kleinen, klapprigen Haus, zu viele Kinder, zu wenig Platz, aus einem Kaff in Florida. Sandstürme, Hochwasser, Waldbrände -das war alles, was wir hatten. Bis ich alt genug gewesen bin, um zu begreifen, daß ich all die hübschen Sachen bekommen konnte, nach denen ich mich sehnte, wenn ich einen engen Rock und rote Schuhe angezogen habe, bis ich schließlich schlau genug gewesen bin, um zu kapieren, daß man für die billige Tour nur die billigen hübschen Sachen bekommt. Dieses Haus und dieses Leben sind große, hübsche Sachen, aber auch hier gilt dieselbe Gleichung. Ich weiß es einfach nicht. Vielleicht bin ich gut, aber diese verdammte Waagschale würde es sich bestimmt reiflich überlegen, bevor sie sich in diese Richtung neigt.«
»Dann erzählen Sie dem Kind die ganze Geschichte. Lew hat bewiesen, daß sie alt genug ist. Bringen Sie sie dazu, sich mit Ihnen solidarisch zu zeigen. Seien Sie ehrlich zu ihr. Erzählen Sie ihr die Geschichte von George Brell, einschließlich Ihrer sentimentalen Entgleisung, und wie sie ihr gegenüber empfinden. Lassen Sie nichts aus. Lassen Sie nicht zu, daß George sie wegschickt. Behalten Sie sie hier, bis sie alles weiß und sich selbst ein Urteil bilden kann.«
»Sie wird mich verachten.«
»Das tut sie bereits.«
Sie brütete ein paar Augenblicke vor sich hin. »Ich werde heute nacht nicht schlafen können. Ich muß mir das durch den Kopf gehen lassen.« Sie stellte die leere Flasche ab und sagte: »Ich habe das Gefühl, ich werde Sie nicht Wiedersehen.«
»Ich muß noch einmal mit George reden.«
Nueve
Mein Motelfenster färbte sich schon grau, als ich den überfälligen Anruf bei Chook tätigte. Sie war außer sich vor Wut, aber als sie sich wieder beruhigt hatte, berichtete sie, daß Cathy teilnahmslos auf ihrem Krankenhausbett lag und Fragen nur ganz leise und wortkarg beantwortete. Und sie mochte Lois Atkinson. Sehr zappelig, etwas schreckhaft, aber nett. Sie redeten übers Tanzen. Lois war zur Ballettschule gegangen, als sie klein war, war dann aber zu lang aufgeschossen. Und wann würde ich zurückkommen? Wahrscheinlich heute abend. Freitag. In Florida konnte man die Sonne sehen, bis zu mir war sie aber nicht vorgedrungen. Sie probierte gerade einen vorübergehenden Ersatz für Cathy aus. Das verdammte Mädchen sei nicht schlecht, aber sie geriet ständig so sehr außer Atem, daß man sie aus zwölf Metern noch nach Luft schnappen hörte. Komm schnell wieder nach Hause, McGee, mein Schatz.
Ich schlief bis zehn, besorgte mir Flugverbindungen für den Nachmittag, dann telefonierte ich meinen Fragenkatalog an einen gewieften, älteren Trickser in New York durch, einen alten Freund, geschickt im Manipulieren seiner arglosen Opfer. Er handelte mit allem möglichen, mal mit einem gefälschten Braque, mit Gewerkschaftsbeiträgen, Informationen für Klatschspalten oder Freikarten.
Ich räumte das Zimmer, frühstückte rasch und fuhr zu George Brell nach Hause. Das hübsche Dienstmädchen, das ich schon einmal gesehen hatte, ließ mich in der Diele warten, während sie nach Mr. Brell sah. Sie kam zurück und brachte mich zu ihm. Er saß, von Kissen gestützt, im Bett, las die Zeitung und trank Kaffee. Er lagerte in einem riesigen, runden Bett mit einer rosaroten Tagesdecke. In diesem weiblichen, üppigen Luxusboudoir wirkte George so zusammengeschrumpft und fehl am Platze wie ein toter Wurm in einem Geburtstagskuchen.
Er warf die Zeitung beiseite und und sagte barsch: »Machen Sie die Tür zu, ziehen Sie sich diesen Sessel herüber und setzen Sie sich, McGee.«
Stolz baut eingestürzte Wände schnell wieder auf. Und renoviert zurückliegende Ereignisse nach seinen Bedürfnissen.
Er schaute mich streng an. »Sie sind sehr clever, mein Junge. Ich habe eine Menge getrunken gehabt, war wegen Angie aufgeregt und erschöpft von den ganzen Geschäften, die ich in der letzten Zeit abgeschlossen habe.«
»Ich habe Sie echt überrumpelt, George.«
»Ich habe eine Menge geredet, an manches kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Ich habe so eine Art Grippevirus.«
»Und ich bin ziemlich grob gewesen, George.«
»Ich will wissen, wie wir verblieben sind.«
»In welcher Hinsicht?«
»Ich warne Sie, mein Junge, es wäre ein schlimmer Fehler, irgend etwas gegen mich zu verwenden. Ich habe nicht vor, Sie mir mit Geld vom Hals zu schaffen, falls Sie darauf aus sind. Ich kann auch grob werden. Verdammt grob.«
»Und
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