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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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bog den Rücken durch, stemmte die Hüfte heraus und sagte mit verführerischer Stimme: »Wir sehn uns noch, hm?«
    »Klar, Marianne. Klar.«
    Gott segne sie alle, die verlorenen kleinen Häschen. Sie sind die Irrläufer unserer Gefühlswelt. Sie träumen von der großen Liebe, geben sich aber bald zufrieden, wenn sie jemanden an Land gezogen haben. Ihre chancenlosen, pik-kelgesichtigen Freunde kommen aus der High-School in eine Welt so überflutet mit ungelernten Arbeitern, daß man schon um den Posten eines Tütenträgers im Supermarkt kämpfen muß. Die Mädels sehnen sich nach Geborgenheit, aber alles, was sie haben, müssen sie sich selbst verdienen, schnatternde kleine Scharen in Restaurants und Geschäften, die über Mode und Schmuck reden und von dem schrecklich aufrichtigen Fremden träumen, der eines Tages kommen und sie aus ihrem Zigeunerleben mit dem Zweigroschentrinkgeld und der Arbeitslosigkeit retten und einen hochaufgetürmten Kuchen mit ihnen anschneiden wird, ihren Bauch mit goldigen Babys anschwellen läßt und sie dann in herrschaftlicher Manier in die seichten Gewässer eines mit allem elektrischen Komfort ausgestatteten Hauses geleitet, wo sich alle nach jeder Mahlzeit die Zähne putzen. Aber die meisten der sehnsüchtigen Häschen heiraten ihre ungelernten Männer und arbeiten schön weiter. Dann entdecken sie, daß ihr Traum ausgeträumt ist. Man hat ihnen einst beigebracht, daß einem, falls man ein sonniges, fröhliches, ehrliches Gemüt hat, angepaßt und beliebt ist, die Welt gehört, einschließlich Freiluftgrill, Servierplatten, Windeldienst, Baumwollsatinbettwäsche, Freunden zum Abendessen, Waschmaschinen-Trockner-Kombination, Farbdias von den Kleinen auf dem Heimprojektor sowie einer wundervollen, ewigen Romanze mit faltenreichem Lächeln und Dialogen à la Rock Hudson. Und so kommen sie alle lächelnd und vertrauensselig und unausgebildet in eine von Technikern beherrschte Welt, und in ein paar Jahren lernen sie, daß das alles mühselig, brutal und unsicher ist. Das sind die Elendsviertel des Herzens. Gott segne die armen Häschen. Das sind die modernen Menschen, und wir machen ihnen keinen Platz. Wir halten ihnen den Traum wie eine Karotte vor Augen und sagen schließlich, tut uns leid, die sind nicht für euch. Und die Schulen, die ihnen das Überleben nicht beibringen, sind architektonische Glanzwerke. Sie werden nie wieder in so feinen Gebäuden leben, es sei denn, sie fangen sich etwas Unheilbares ein.

    Ich fuhr auf die Nordseite der Festlandstraße, vorbei an endlosem Neongezwinkere und -gezucke, durch den unaufhörlichen Blätterfall, den Waldboden aus Asphalt, Zellophan, Schokoladenpapier, Tempos, Zigarettenkippen, abgerissenen Eintrittskarten, Frischhaltefolien und Latex. Eine von Junior Allens Frauen lag verwundet, die andere betrunken im Bett, und ich hielt nach einer dritten Ausschau.
    Das Citrus Inn war ein alter Kasten, ein dreistöckiger Würfel aus rissigem und ausgebessertem mexikanischem Mauerwerk, Baujahr 1925, mit drei separaten Eingängen, drei Treppenaufgängen und drei aufeinandergestapelten kleinen Wohnungen. Es lag in einer kurzen Sackgasse im Industrieviertel. Gegenüber befand sich ein weitläufiger Lastwagenfuhrpark. Umklammert wurde es von einem winzigen Bootshaus auf der einen Seite, auf der anderen von einem Geschäft für Bier, Angelbedarf und Leihboote, zu dem auch eine Kneipe gehörte, Spezialität gebratene Fischsandwiches. Hinter den drei Gebäuden verlief ein schmaler Kanal mit brackigem Wasser, von der Strandmauer begrenzt.
    Das Citrus Inn hat seinen eigenen, morschen Bootssteg, der parallel zum Deich verlief. Ich hatte vorne geparkt. Ich ging an der unbeleuchteten Seite des Citrus Inn um das Haus herum. Ich blieb plötzlich stehen und tauchte tiefer in den Schatten. Am Bootssteg des Citrus Inn waren zwei alte, verdunkelte Schiffe festgemacht. Im dritten Boot schien Licht, und eine schwache Hafenlaterne warf ihren Schein auf seine Steuerbordseite und ins Cockpit. Sie schien auch auf den Rettungsring. Die Play Pen. Es waren ein paar Leute im Cockpit. Ich konnte sie nicht deutlich sehen. Sie hatten Musik an, die verzögerten Rhythmen des Bossa Nova. Ein Mädchen bewegte sich dazu, ein anderes lachte irgendwie säuerlich. Ein Mann sagte mit durchdringender Stimme: »Dads, soeben ist uns das Bier ausgegangen, und das ist eine entsetzliche Vorstellung, Dads. Jemand muß den ganzen Weg zu Barneys latschen. Willst du uns auf den Inseln auch so

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