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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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durch, verbesserten sie, strafften sie hier und da. Wir redeten nicht über das Ende, denn das Ende ergab sich aus den Dingen, die vor dem Ende geschehen mußten.
    Sie gab mir einen flüchtigen Gutenachtkuß mit kühlen Lippen und einem Blick aus dunklen Augen, die sie sittsam senkte.
    Im Bett mußte ich an die brutalen, schwieligen Hände von Junior Allen denken. Hinter dem freundlichen Grinsen war er so kompromißlos wie ein Hammer. Ein wildes Tier hinter einer grinsenden Maske. Ein cleveres, verbogenes Wesen, das ständig danach trachtete, Unschuld in ihr Gegenteil zu pervertieren, Sanftmut in Schrecken zu verwandeln, um seine eigene innere Leere zu füttern.
    Und dann fing ich an, an die Sanftmut von nebenan zu denken. Ich rechnete die Entfernung sorgfältig aus. Vielleicht sechseinhalb Meter von Bettpfosten zu Bettpfosten. Würde es ihrer Seele, ihrem Kampfeswillen nicht gut tun, begehrt zu werden? Würde sie, alleine gelassen, nicht Zweifel an ihrer eigenen kurzen Rolle als sanfte Aggressorin hegen? Und würde überdies ihre gewohnte Geschmeidigkeit nicht den üblen Beigeschmack der drallen Mädchen vom Citrus Inn beseitigen? McGee, der Tückische. Der Rationalist. Der Frauenheld. Welch triebhafte Gedankengänge. Schlaf ein.
    Lag sie auf der linken Seite? Lag sie rechts? Konnte sie auch nicht schlafen? Waren ihre Augen in derselben Dunkelheit geöffnet, lauschte sie demselben, dumpf dröhnenden Flüsterton der Klimaanlage? Überlegte sie gerade, warum ich sie nicht begehrte?
    Schlaf ein, McGee, Herrgott noch mal. Willst du jemanden, der permanent von dir abhängig ist?
    Ich setzte mich aufrecht hin. Mein Herz klopfte wild, und mein Atem ging schwer. Ich schwebte da so geräuschlos hinein wie eine Rauchfahne. Sie würde bestimmt schlafen. Dann würde ich mich umdrehen und wieder hinausschleichen.
    Ich näherte mich dem Bett, konnte kaum den dunklen Fleck ihrer Haare auf dem Kopfkissen ausmachen, hielt meinen Atem an und versuchte, dem Rhythmus ihrer Atembewegung zu lauschen. Sie gab einen kleinen, kehligen Laut völliger Zufriedenheit von sich, vollkommener Freude, streckte eine Hand aus, ergriff mein Handgelenk und zog mich zu sich. Sie warf mit einem Ruck Laken und Bettdecke beiseite, bot sich mir so restlos dar, führte mich mit so gekonnter Leichtigkeit, daß wir eins waren, sobald ich bei ihr lag, ihre Bereitschaft und ihr langes, triumphierendes Schaudern ein Geständnis ihrer nächtlichen Gedanken. Nach einer Weile brachte sie uns, die wir so innig umschlungen lagen, zum Stillstand und sagte, während sie uns drehte: »Warte, Liebling. Bitte. So, wie wir heute abend geredet haben, hab’ ich dir nicht in die Augen sehen können. Und du konntest mich nicht richtig ansehen. Weil wir beide nichts über das Ende gesagt haben. Und das liegt wie ein Schatten auf uns, das weißt du auch.«
    »Es bleibt keine andere Wahl.«
    »Doch, das weißt du. Ich könnte ihn wegen Vergewaltigung anzeigen. Das stimmt ja nun wirklich, nicht wahr? Ich kann aussagen. Man wird ihn einsperren.«
    »Es wird sich nicht gut machen, daß du bei ihm geblieben bist.«
    »Bei wem wird sich das nicht gut machen? Ich lege Wert auf die Meinung, die ich von mir selbst habe, und auf deine Meinung von mir. Auf sonst keine. Er hat mich terrorisiert. Ich kann mich gut ausdrücken. Ich kann jedem klarmachen, wie das gewesen ist. Und ich kann mit Cathy reden, und sie kann ihn als den Mann identifizieren, der sie verprügelt hat. Wir beide zusammen, Liebling, können dafür sorgen, daß er für lange Zeit eingesperrt wird. Wir bringen den ersten Teil hinter uns, und bevor er Zurückschlagen kann, gehen Cathy und ich zur Polizei.«
    »Ich glaube nicht, daß wir auf diese Weise ...«
    »Ich möchte es aber so. Versprich es.«
    »Aber ...«
    Sie hatte die Finger hinter meinem Nacken verschränkt. Sie gab ihm einen herzhaften Ruck. »Versprich es!«
    »Ich befinde mich hier in einer sehr nachteiligen Lage.«
    »Oh, mir scheint diese Lage sehr vorteilhaft, McGee. Versprich es!«
    »Also gut.«
    Sie zog kräftig. Sie rollte ihren breiten Mund auf meiner Schulter mit niedlichem, ausdauerndem, unwiderstehlichem Verlangen hin und her. Und zu guter Letzt kuschelte sie sich murmelnd in den Schlaf, ihre liebkosenden Worte versanken in einem tiefen Schlummer. Nachdem sie eingeschlafen war, hatte ich ein wenig Zeit, über das Versprechen nachzudenken. Ich betrachtete es mit nüchternem Blick. Es war eine taktische Dummheit. Wenn Junior Allen erst einmal in der

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