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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Schwall, den die Yacht hinter sich herzog. Dann kam auch noch der verdammte Mond heraus. Ich war ein schwarzes Insekt in einer silberhellen Schachtel. Es gab zweimal hintereinander ein schnappendes Geräusch. Ein Finger schnipste gegen meine Haare, eine Biene summte an meinem Ohr vorbei. Ich rollte mich in die hintere Ecke des Cockpits. Meine Hand landete auf dem Stiel eines Bootshakens. Ich riß ihn ruckartig aus der Halterung, machte eine halbe Rolle und schleuderte ihn wie einen Speer in den dunklen Kabinenaufgang. Ein Grunzlaut war zu vernehmen, dann ein klapperndes Geräusch, schließlich ein leises Fluchen. Dann wurden beide Motoren langsamer, stotterten und blieben stehen, und wir trieben auf der Stelle. Die Rut Cry kam heran und stieß gegen das Heck. Wir schaukelten. Ausrüstung knarrte und klapperte. Ich schnappte einen Stuhl, den wir bei unserem Spiel früher am Abend nicht zerbrochen hatten, schleuderte ihn in die Dunkelheit, wo ich ihn vermutete, klammerte mich an das überhängende Vordach, schwang mich hinauf und kroch nach vorne. Ich hatte kein Versteck, und der Mond schien hell, aber er konnte nicht an mich heran, ohne daß ich ihn sehen würde.
    Der Wind hatte das offene Boot zur Seite hinaus getrieben, mittschiffs auf die Steuerbordseite, soweit das Nylonseil reichte. Ein Freizeitboot. Ein hübsches Spielzeug für den Tiger. Ich legte mich flach neben das umgedrehte Beiboot aus Fiberglas, ertastete die Laschen, mit denen es festgemacht war, und löste sie. Ich hatte keinen großartigen Plan. Ich wollte nur noch ein paar Ausweichmöglichkeiten schaffen und baute darauf, daß ich sie zu meinem Vorteil nutzen konnte. Ich fragte mich, warum er so still war. Das war unheimlich. Er hatte mich schon einmal geschlagen, und ich wußte, wie brutal schnell und stark er war. Und ich war nicht in so guter Verfassung wie beim letzten Mal. Ich konnte mich nicht erinnern, ihm viel Schaden zugefügt zu haben. Aber ich konnte nicht zulassen, daß es wieder genauso ausging. Nicht, wenn ich am Leben bleiben wollte. Ich hatte den Fehler gemacht und ihn für einen Menschen gehalten, nicht für ein Tier. Er war noch nicht einmal ein Tier mit einem Fell. Er war ein Reptil. Er mußte etwas im Schilde führen.
    Plötzlich bemerkte ich, daß die Rut Cry langsam auf die Kreuzyacht zuglitt. Ich bewegte mich zentimeterweise vorwärts und schaute nach, da sah ich, daß er sie einholte, eine geduckte, dunkle Gestalt im Cockpit, vom fahlen Mondlicht umrahmt. Er drehte sich um und feuerte, und als ich meinen Kopf zurückriß wie eine Schildkröte, prallte ein Querschläger von der Antenne ab in die Nacht hinein. Auf einmal wurde mir auch klar, was er während der ganzen Stilleperiode gemacht haben konnte. Er konnte sich das Bündel Geldscheine und einen Beutel Glasmurmeln aus dem Versteck geholt haben. Ich war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte ihm zum Geschenk ein kleines, schnelles Boot mitgebracht, das vermutlich genug Treibstoff hatte, um das Festland zu erreichen. Also adios, compadre. Das wäre eine nette Lösung für ihn. Er wüßte, daß ich davongekommen war und daß die Dinge äußerst schlecht für ihn liefen. Das konnte er sauber wieder in Ordnung bringen. Er konnte auf ein dunkles Stück Festland zusteuern, das Boot einfach treiben lassen, anderswo leben und sich neue Opfer suchen. Ich konnte ihm nicht mehr antun, als ich es bereits getan hatte. Für ihn würde es keine Rolle spielen, ob er mich tot oder lebendig an Bord der Play Pen zurückließ. Wenn er erst einmal die Leine los hatte und in die Rut Cry gesprungen war, standen seine Chancen verdammt gut. Ich könnte ihn nicht mehr einholen.
    Ich wartete so lange, wie ich es gerade noch riskieren konnte. Die Play Pen lag im Wellental, schaukelte heftig und schlingerte, nahm jedesmal eimerweise Gischt im Cockpit auf, wenn ein Wellenkamm die Backbordseite traf, während sie auf diese Seite rollte. Es war ein sogenanntes selbstlenzendes Cockpit, was nur bedeutet, daß der Cockpit-Boden höher liegt als die normale Wasserlinie und somit das Wasser durch die tief in den Ecken des Heckspiegels angebrachten Speigatten abfließt.
    Als die Rut Cry längsseits kam und dort etwa fünf Sekunden gelegen hatte, schob ich meine Hände unter den Bug des umgedrehten Beibootes, warf es hoch auf die richtige Seite und hinunter ins Cockpit und sprang hinterher. Es machte einen Riesenkrach, sprang vom Teakboden hoch und streifte ihn am Kopf, als es über die Heckkante flog. Es schlug

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