Abschied nehmen
Geschichten über Verstorbene, die ihnen nahe gestanden hatten, bei und wider Erwarten wurde sogar recht viel gelacht.
Als William am nächsten Morgen erwachte, war seine Trauer zwar noch immer da, doch sie nahm nur noch selten die Gestalt dieser alle Lebenslust verschlingenden Kreatur ein, die ihn noch am vorhergehenden Abend gequält hatte.
In den nächsten Tagen arbeitete William härter und mehr als zuvor. Er nahm Tom so gut wie alle Aufgaben ab, und wenn die Arbeit in der Schmiede getan war, bot er überall dort seine Hilfe an, wo welche gebraucht wurde. Er tat dies nicht aus Mildtätigkeit oder weil er jemanden mit seiner Tüchtigkeit beeindrucken wollte, er hoffte lediglich, dass er, je mehr er sich beschäftigen würde, umso weniger an die traurigen Neuigkeiten würde denken müssen.
Doch dem war leider nicht so. Die Wunde war noch zu frisch und immer wieder fanden die traurigen Gedanken ihren Weg in sein Bewusstsein. Grübelnd zog er sich dann tief in sich selbst zurück und sah die Welt um sich herum nur noch wie durch einen Schleier. Dann vermochten ihn lediglich seine engsten Freunde oder zu seiner Verwunderung auch Kate durch ihre Sticheleien wieder in die Gegenwart zurückzubefördern. Ihre Streitigkeiten belebten ihn wieder und lenkten ihn von seinem Übel ab.
Doch Marcus, Robert und die Anderen sah er meistens lediglich abends und Kate begegnete ihm auch nur in gewissen Zeitabständen und so war es Willie, der ihm vor allem die erwünschte Zerstreuung brachte.
Der Kleine folgte seinem neu gewonnenen Freund überall hin. Er ließ ihn kaum aus den Augen, und nachdem alle Arbeiten erledigt waren, saßen die beiden auch noch häufig zusammen und vertrieben sich gemeinsam die Zeit. Meist unterhielten sie sich einfach oder sie schnitzten an ihren Schachfiguren, und auch wenn Willie ihn durch die erfrischende Ehrlichkeit und Neugier eines Kleinkindes häufig schmerzhaft an seine Schwester erinnerte, wollte William nicht auf seine Gesellschaft verzichten. Vielmehr wuchs der Kleine ihm mehr und mehr ans Herz und er konnte sich den Jungen, der ihm seine Schwester auf eine Art ersetzte, gar nicht mehr wegdenken. Und die Freude, die Willie in ihm weckte, ließ seine Wunde von Tag zu Tag mehr heilen.
Es war etwa eine Woche vergangen seit Billy mit den schlechten Nachrichten angekommen war, als William und Willie am späten Nachmittag im Hof saßen und an den Schachfiguren schnitzten. Da in der Burg Craigh so gut wie niemand Schach spielen konnte, war auch kein Spiel vorhanden und William hatte sich vorgenommen, eines anzufertigen.
Sie hatten sich neben dem Eingang zur Küche niedergelassen und an die Wand gelehnt, ließen sie die warmen Sonnenstrahlen auf sich hinunter scheinen. Willie war gerade dabei die bereits fertigen Figuren zu zählen, die er zuvor sauber zwischen ihnen aufgereiht hatte. William hatte die Absicht dem Jungen das Schreiben und Rechnen beizubringen und nun saß er da und lauschte mit einem sanften Lächeln, wie dieser die Figuren zählte.
Immer wenn er die Zahlen durcheinanderbrachte, machte William ihn geduldig darauf aufmerksam und ließ ihn von vorn beginnen. Willie war jedoch ein sehr wissbegieriges Kind und lernte schnell und gern, sodass William ihn nur selten auf Fehler hinweisen musste.
Während die beiden so im Hof saßen, stand Kate auf der Burgmauer. Sie gab vor, auf die Felder hinauszublicken, doch immer wieder schweifte ihr neugieriger Blick zu den beiden Williams. Gerade ließ sie sich den warmen Wind ins Gesicht wehen, als Angus die steile Treppe hinauf kam.
„Hallo, meine Schöne! Warum verbringst du deine Zeit hier allein auf der Burgmauer?“, rief er ihr mit einem liebevollen Lächeln entgegen und Kate drehte sich ebenfalls lächelnd zu ihm um.
„Angus“, rief sie erfreut und streckte ihm die Hand entgegen, die er ergriff, „ich stehe hier und genieße die Aussicht auf die Felder. Alles beginnt zu sprießen und es ist heute so angenehm hier draußen“, sagte sie beinahe euphorisch.
„Und das war alles? Mehr hast du dir nicht angesehen?“ Er hatte sie eine Zeit lang beobachtet, bevor er zu ihr hinauf gekommen war, und wusste somit, wohin sie immer wieder geschielt hatte.
„Oh, du meinst ihn?“, sagte sie mit einer knappen Kopfbewegung in Williams Richtung.
„Aye, ich meine William“, erwiderte
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