Abschied nehmen
Voller Begeisterung kicherte der Kleine lauthals, als William ein Kaninchen in die Hand nahm, sein Maul auf und zu klappte und dabei so tat, als würde es sprechen. Kate hätte am liebsten ebenfalls laut losgelacht, doch sie hielt sich zurück und grinste nur.
Sie beobachtete die beiden, wie sie sich unterhielten, – wobei sich William eher aufs Nicken und zustimmende Laute beschränkte, während Willie ihm scheinbar jede Einzelheit der letzten Tage erzählte – als der Kleine, nun da er sie im Hof entdeckte, plötzlich seinen Redefluss unterbrach und winkend ihren Namen rief.
Verhalten winkte sie zurück, denn Willies Rufen hatte auch Williams Aufmerksamkeit auf sie gelenkt, dessen Blick nun seelenruhig auf ihr ruhte und der gar keine Anstalten machte ihn abzuwenden.
Doch sie konnte das nicht. Sie hatte das Gefühl, als würde er in dem Augenblick geradewegs in ihr Herz hineinblicken und darin all das entdecken, was sie vor ihm verbergen wollte und so sah sie weg.
William hingegen wandte sich nicht sofort ab. Erst als Willie aufgeregt auf ein großes Geweih deutete, schenkte er ihm wieder seine volle Aufmerksamkeit. Er wandte sich um, und als er entdeckte, wohin es seinen kleinen Freund zog, hätte William am liebsten das Weite gesucht. Er selbst wollte schon nichts mit den Mackendricks zu tun haben und Willie wollte er erst recht von ihnen fernhalten. Doch der hüpfte so aufgeregt auf seinem Arm herum, dass er sich schließlich doch einen Ruck gab und an den Hirsch herantrat.
So ein Tier sah man nicht jeden Tag und William wollte dem Jungen den Anblick nicht vorenthalten, nur weil es Adam war, der ihn erlegt hatte. Und schließlich war er ja bei ihm, um ihn gegebenenfalls schützen zu können. Und Schutz war auch nötig, denn kaum waren sie an den Hirsch herangetreten, kam schon Adam auf sie zu.
Unwillkürlich spannte William sich an und brachte Willie außer Adams Reichweite, indem er ihn auf den anderen Arm nahm. Und obwohl dieser noch dabei gewesen war, das Geweih voller Erstaunen zu berühren, machte er nun keine Anstalten, sich über die plötzliche Unterbrechung zu beschweren. Stattdessen legte er die Ärmchen um Williams Hals und betrachtete ihr Gegenüber, als sei Williams Abneigung ansteckend, mit der gleichen Skepsis wie sein großer Freund.
„Den habe ich erlegt!“, sagte Adam an Willie gewandt mit einem selbstherrlichen Grinsen und vor stolz geschwellter Brust. Doch das Heischen nach Bewunderung brachte nicht den gewünschten Erfolg.
Während William ihn nämlich anblickte, als sei er eine gefährliche Schlange, die, wenn man sie aus den Augen ließ, einen mit ihrem tödlichen Gift infizieren würde, verbarg Willie sein Gesicht hinter seinem Freund.
„Können wir wieder zu den Kaninchen?“, flüsterte er mit seiner kindlichen Stimme in Williams Ohr.
Nichts lieber als das, dachte William, nickte jedoch lediglich und ohne Adam weiter zu beachten oder ihn auch nur eines Wortes zu würdigen, wandte er sich ab und schlenderte mit Willie davon.
Adam zitterte vor Wut, das konnte Kate vom Weiten erkennen, und auch wenn sie dies beunruhigte, konnte sie sich ein Grinsen, ob der eben beobachteten Situation nicht verkneifen.
Kates Verhalten seit seiner Rückkehr von der Jagd überraschte William. In Anwesenheit der Mackendricks mimte sie weiterhin wie vereinbart die verliebte Braut. Doch während sie sonst, wenn sie sich nicht in der Nähe von Coll und seiner Sippe aufhielten, dieses abweisende Auftreten an den Tag gelegt hatte, wartete William nun vergeblich darauf.
Sie sprachen zwar noch immer nur das Nötigste miteinander, doch sie blieb höflich und er erntete weder böse Blicke, noch machte er weitere Bekanntschaften mit ihrer spitzen Zunge. Doch vor allem der ungewohnte Ausdruck, mit dem sie ihn ansah und die Spannung, die zwischen ihnen herrschte, die seit er wieder da war, eindeutig eine andere war, verwirrten ihn. Was war bloß während seiner Abwesenheit geschehen, fragte er sich, und auch wenn er ihr Verhalten mit seiner gewohnten Skepsis betrachtete, konnte er die in ihm aufkeimende Hoffnung nicht vollständig unterdrücken.
Und auch Kate hatte die Veränderung an sich bemerkt. Seitdem sie ihn lebend wieder gesehen hatte, war sie so glücklich, dass all die negativen Gedanken, die sie sonst immer quälten, in den Hintergrund gerückt waren.
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