Abschied nehmen
Die Schreie, das Feuer alles schien zu verschmelzen und versetzte ihn in eine Art Trance.
„William, komm wir brechen auf!“, hörte er schließlich Ewan rufen und schwang sich gedankenverloren auf sein Pferd, eh sie wieder davon ritten.
Es war purer Hohn, ihr Lager in dem Wäldchen aufzuschlagen, in dem sie ihren Angriff begonnen hatten und von dem aus sie deutlich das in Flammen stehende Dorf sehen konnten. Denn sie wussten genau, dass sie dort ihr rauschendes Fest feiern konnten, ohne die geringste Befürchtung eines Gegenschlags zu haben.
Die Dorfbewohner hatten so viel Wichtigeres zu tun, als ihren Peinigern hinterher zu jagen, nämlich ihre Häuser und ihre Leben zu retten, wenn es dort noch etwas zu retten gab. Denn die Soldaten hatten, soweit es sich vermeiden ließ, niemanden an Ort und Stelle getötet aber sie fügten so manchem Verletzungen zu, die nicht mehr zu heilen waren.
Williams innerer Schrei war mittlerweile verstummt, stattdessen machte sich nun ein solch tiefer Kummer, um all die Menschen dort unten im Dorf, deren Gesichter ständig vor seinem inneren Auge auftauchten, in ihm breit, dass er wieder in diesen Trancezustand verfiel, während dessen er alles um ihn herum wie durch dichten Nebel wahrnahm.
Er prostete seinen Kameraden folgsam zu, wenn sie die Becher in seine Richtung hoben, doch was sie sagten, konnte er nicht verstehen. Doch je länger er gezwungen war, mit ihnen zusammen zu verweilen, desto weiter schwand seine Apathie und machte einem tiefen Hass Platz, den er ihnen gegenüber empfand.
Er blickte immer wieder in die Runde und konnte es noch immer kaum begreifen, mit was für Menschen er um das Feuer herum saß. Er betrachtete die Gesichter nacheinander und vor seinem inneren Auge blitzten immer wieder die vor Hass und Blutrunst verzerrten Fratzen auf. Er hatte mit diesen Männern Tür an Tür gelebt und nicht nur einen Abend mir ihnen in geselliger Runde verbracht und doch hätte er nie geahnt, welches Ungeheuer in ihnen schlummerte. Heute Nacht hatten sie es ihm gezeigt und was ihn anging, würde er nie wieder etwas anderes in ihnen sehen.
Er hörte Wentworth laut lachen und mit einem Mal überkam ihn Übelkeit, als das Bild des Majors, der über ein Mädchen gebeugt war, wieder vor seinem inneren Auge auftauchte.
Das Mädchen war nicht älter als zwölf Jahre alt gewesen und hatte laut nach seiner Mutter geweint, als er in sie eingedrungen war und je lauter sie geweint hatte, desto heftiger hatte er zugestoßen. Um sie endlich zum Schweigen zu bringen, hatte er ihr schließlich so hart ins Gesicht geschlagen, dass man, wenn der Lärm nicht gewesen wäre, sicher hätte Knochen splittern hören. Von da an hatte sie geschwiegen und es mit kraftlos herabhängenden Gliedern über sich ergehen lassen, bis er irgendwann von ihr abgelassen hatte.
Warum hatte Wentworth ihn mitgenommen? Wie in aller Welt war dieser Mann nur darauf gekommen, dass er, William, das alles hätte, gutheißen mögen oder dass es ihm wie dem Major Spaß bereiten könnte, fragte er sich verzweifelt. Doch andererseits gab er im Augenblick genau das vor, zwar nur um sein Leben zu retten aber er tat es. Und als ihm das klar wurde, fühlte er sich so abscheulich und elend, dass er meinte, es keine Sekunde länger ertragen zu können.
Doch seine Vernunft siegte und auch wenn er es hasste, sah er ein, dass er keine Wahl hatte. Er musste seine Tarnung aufrechterhalten. Und so hielt er sich zurück und gab auch den Rest der Nacht vor, einer von ihnen zu sein, bis es irgendwann Gott sei Dank spät wurde und er endlich vor diesen Unmenschen in einen ruhelosen Schlaf flüchten konnte.
Am folgenden Tag erwachten die meisten erst gegen Mittag, nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten. William war froh, dass sie, nachdem sie einen Happen gegessen hatten, sich von der Truppe, die sie am Abend zuvor dort getroffen hatten, trennten und zurück nach Edinburgh aufbrachen. Doch schon bald sollte sich herausstellen, dass sie nicht weit kommen sollten.
Die Unterhaltungen fielen karg aus während des halbtägigen Rittes, denn den Männern brummten die Schädel angesichts des vielen Alkohols, der in der vorhergehenden Nacht geflossen war. William war der Einzige, der nicht mit solchen Folgen zu kämpfen hatte, denn er hatte zwar seinen Becher genauso häufig wie die
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