Abschied nehmen
Zeit genommen, meine Mutter kennenzulernen, hatte sie sehr schnell ins Herz geschlossen und dann hatte sie sich daran gemacht, meinen armen Großvater so lange zu bearbeiten, bis er keine andere Wahl hatte, als seine Vorurteile endlich abzulegen und die Verbindung, die sein Sohn eingegangen war, zu akzeptieren.
Und dabei blieb es nicht, denn nachdem mein Großvater sich meiner Mutter gegenüber etwas geöffnet hatte, wickelte sie ihn so schnell um den kleinen Finger, dass ihm Hören und Sehen verging und seitdem war sie sein absoluter Liebling!“ Bei dem Gedanken machte sich ein breites Grinsen auf Williams Gesicht breit.
„Na, wenn du ihr auch nur im Geringsten ähnelst, dann glaube ich dir das aufs Wort“, meinte Kate und William gab einen Laut des Unverständnisses von sich.
„Ach, tu doch nicht so. Dieses Thema hatten wir doch schon mal. Du weißt, wie du auf Frauen wirkst“, fügte sie, nicht ohne einen Hauch Eifersucht in der Stimme, hinzu und stupste ihn dabei an.
„Na ja, ich bin zwar noch immer der Meinung, dass das Hirngespinste von dir sind aber lassen wir es gut sein“, erwiderte er und lächelte sie so gewinnend an, dass sie gar nicht anders konnte, als zurückzulächeln.
„Nun ja, was das angeht, kommst du also nach deiner Mutter und wie ist es denn mit dem Aussehen?“
„Also die Größe habe ich von meinem Vater, zum Glück, denn meine Mutter war recht klein. Ich habe auch seine Haar- und Augenfarbe, das heißt, bevor er irgendwann schneeweiß wurde. Doch im Großen und Ganzen soll ich meiner Mutter ähneln. Ich sehe das zwar nicht aber es wurde immer so behauptet. Amy hingegen ist, wie ich finde, ihr absolutes Ebenbild.“
Ein trauriger Ausdruck legte sich auf sein Gesicht, als er den Namen seiner Schwester erwähnte und Kate blickte ihn mitfühlend an.
„Sie fehlt dir sehr, aye?“
„Aye, das tut sie. Sie ist so ein liebes, kleines Mädchen und ich darf gar nicht daran denken, wie es für sie sein muss, ihre ganze Familie verloren zu haben“, entgegnete er und eine tiefe Sorgenfalte legte sich um seinen Mund. „Mein Fortgehen hat ihr schon sehr wehgetan, obwohl ich sie vorher sehr lange nicht mehr gesehen habe und wir erst dabei waren, uns wieder kennenzulernen. Aber der Tod meines Vaters...“ William sprach nicht weiter, denn die Worte wollten einfach nicht über seine Lippen.
Erst nach einer Weile fuhr er wieder fort. „Weißt du, mit dem Tod meines Vaters kann ich mich abfinden. Er war nicht mehr jung und hatte ein gutes Leben gelebt, doch dass ich, als das geschehen ist, nicht für Amy da sein konnte, das ist schwer für mich zu akzeptieren.“
Er ließ den Kopf hängen und seine Traurigkeit schnürte Kate die Kehle zu. Sie wollte so gerne etwas sagen, um den Schmerz, den er nun verspürte, zu lindern, doch da gab es nichts. Nichts Sinnvolles zumindest, nur abgedroschene Floskeln und so schwieg sie und kuschelte sich stattdessen lediglich noch ein wenig näher an ihn heran.
Doch William reichte dies schon aus. Sie musste nichts sagen, um seine traurigen Gedanken zu vertreiben, ihre Nähe, das Gefühl, dass sie für ihn da war, spendeten ihm den Trost, den er gebraucht hatte und langsam aber sicher verschwand die Sorgenfalte um seinen Mund.
„Nun ja, ganz allein ist sie nicht zurückgeblieben. Sie lebt jetzt bei Jamie und er ist, auch wenn nicht blutsverwandt, ein Teil unserer Familie.“
„Jamie?“
„Oh, habe ich Jamie noch nicht erwähnt? Dass mir das passieren konnte!“, lachte er plötzlich auf und schüttelte unverständlich den Kopf, als sei dies eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
„Nein, du hast ihn noch nicht erwähnt. Also wer ist Jamie?“, fragte Kate ungeduldig, als er nicht weiter sprach und William beeilte sich, ihr zu antworten.
„Tja, er ist derjenige, der mich schon genauso oft vor Prügeln bewahrt hat, wie er mir welche eingebracht hat. Seinetwegen konnte ich manchmal tagelang nicht auf meinem Hintern sitzen, doch nie hat er mich allein leiden lassen, so wie ich ihn auch nie allein leiden ließ. Gemeinsam bezogen wir unsere Prügel und gemeinsam jammerten wir erst über unsere wunden Hintern, lachten dann darüber und heckten unsere nächsten Streiche aus. Er war einer von der Sorte, die man selten im Leben trifft, mein bester Freund, mein Bruder“,
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