Abschied nehmen
abhielt, immer wieder zu Tür zu blicken und nach William Ausschau zu halten.
Er verspätete sich nur selten zum Abendessen, meistens war er sogar schon vorher da und er kam nur nicht rechtzeitig, wenn ihn etwas wirklich Wichtiges aufgehalten hatte. Dies war bisher nur zwei Mal vorgekommen und Kate nahm zunächst an, dass es heute eben das dritte Mal war, auch wenn sie es ungewöhnlich fand, dass William nicht wie sonst einfach Willie zu ihr geschickt hatte, um ihr Bescheid zu geben, damit sie sich keine Sorgen machte.
Denn genau die machte sie sich im Augenblick, vor allem als sie ihren Vater, der ebenfalls verspätet erschien, ohne William an seiner Seite eintreten sah. Die Tische waren mittlerweile mit Speisen beladen, doch auch wenn Kates Magen bis eben noch geknurrt hatte, verschwendete sie nun keinen Gedanken mehr an das vor ihr stehende Essen. Stattdessen heftete sich ihr Blick auf ihren Vater, ganz so als könne sie ihn allein durch ihre Willenskraft dazu bewegen, den Saal schneller zu durchschreiten, als es ihm überhaupt möglich war.
Sekunden voller Ungeduld verstrichen, bis Marcus endlich an seinem leeren Platz saß und Kate wandte sich ohne Umschweife an ihn.
„Vater, weißt du, wo William ist?“, fragte sie und Marcus erstaunte die Sorge in dem Gesicht seiner Tochter.
„Aye, natürlich. Es geht ihm nicht gut, er wollte sich in euer Gemach zurückziehen“, erklärte er und sah, dass Kate sich sichtlich entspannte.
Marcus war überrascht, dass seine Tochter nichts davon wusste, doch er sprach es nicht aus.
Das übernahm Kate für ihn.
„Komisch, dass er mir nichts gesagt hat“, sagte sie nachdenklich, fuhr jedoch nach ein paar Augenblicken lächelnd fort. „Sicher wollte er mich nur nicht beunruhigen, sagte sie, doch auch wenn sie nun lächelte, sah Marcus, dass auch in ihren Augen Zweifel lagen. Immerhin muss William gewusst haben, dass seine Abwesenheit sie viel mehr beunruhigen würde.
Kate schüttelte den Gedanken ab.
„Ich werde besser raufgehen und mal nach ihm sehen“, sagte sie, entschuldigte sich und eilte hinaus.
Auf dem Weg machte sie in der Küche halt, und da die gute Mrs. Jenkins wie immer ein paar sehr brauchbare Reste dort übrig gelassen hatte, machte Kate schnell ein Tablett mit den Speisen fertig, die in weitaus größeren Mengen, die Tische im großen Saal bedeckten.
Beladen mit Speis und Trank eilte sie nach oben in der Hoffnung, dass wenn William tatsächlich nicht wohl gewesen war, es ihm nun besser ginge und er sich über das reich gefüllte Tablett freuen würde. Als sie schließlich in ihrem Gemach ankam, schloss sie die Tür und stellte das Essen ab, als sie jedoch einen Blick auf ihren Mann warf, war ihre Hoffnung augenblicklich dahin. Seine Miene war eine Mischung aus unterdrückter Wut, Enttäuschung und Abscheu und sie konnte förmlich sehen, wie er innerlich kochte.
Als er jedoch zu sprechen begann, gab es nicht die erwartete Explosion. Noch nicht. Stattdessen lag eine Kälte in seiner Stimme, die Kate mit unerwarteter Heftigkeit traf.
„Hallo, Kate, wie war dein Tag?“, fragte er und Kate überlief ein Schauer bei der Schärfe, die in seiner Stimme lag.
Sie hatte diesen Satz schon so viele Male aus seinem Mund gehört, doch noch nie hatte er sie damit beunruhigt. Nun tat er es und die Haltung, die er eingenommen hatte, trug nicht gerade dazu bei, ihr Unbehagen zu vertreiben. Er saß da auf dem Stuhl etwa fünf Schritte von ihr entfernt, lehnte sich dabei vor und sah aus wie ein Tier, das zum Angriff bereit ist. Aus seinen dunklen Augen, die nun beinahe schwarz wirkten in dem dämmerigen Licht, sprühte es vor Aggression.
Kate sah deutlich, dass sie seine Geduld nicht auf die Probe stellen sollte, und antwortete schließlich.
„Gut“, sagte sie vorsichtig und blickte ihn forschend an. Am liebsten hätte sie ihn gefragt, was mit ihm los war, doch sie war überzeugt, dass er es ihr gleich von sich aus sagen würde.
Und William enttäuschte sie nicht.
„Also fühlst du dich wohl dabei, mich zu hintergehen, aye?“, fragte er und biss die Zähne aufeinander, während sein Blick sich durch sie hindurch zu bohren schien.
Kate hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
„Wie kommst du denn darauf, dass ich dich hintergehen würde?“,
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