Abschied nehmen
fürchte, ich kann es besser, als du denkst“, sagte er, und als diese Worte ausgesprochen waren, konnte er plötzlich Marcus’ Blick nicht mehr standhalten und wandte sein schmerzverzerrtes Gesicht wieder ab.
Marcus lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
„Wie meinst du das? Du hast doch nicht etwa …?“ Marcus fragender Blick ruhte auf William, denn er war nicht fähig dazu den Satz zu vollenden. Sollte er sich etwa in diesem Jungen geirrt haben, ging es ihm nun durch den Kopf. War er trotz seiner Abstammung doch das, wofür seine Männer ihn zunächst gehalten hatten?
„In der Nacht, bevor wir uns begegneten, war ich an einem solchen Überfall beteiligt. Wir waren gerade auf dem Rückweg nach Edinburgh, als die Wegelagerer uns auflauerten.“ Marcus legte die Stirn in Falten und sah William verständnislos an. Dieser starrte mit einem getrübten Blick vor sich hin und durchlebte die Nacht aufs Neue.
Er erzählte Marcus jedes einzelne Detail und dieser hörte ihn geduldig an.
„Ich schwöre dir, Marcus, ich habe nicht gewusst, was sie vorhatten.“ William ließ die Schultern hängen und sah mit einem flehenden Gesichtsausdruck zu Marcus auf ganz so als wollte er die Absolution für das, was er gerade gebeichtet hatte.
Als Marcus nichts sagte, wandte er sich wieder ab und schüttelte den Kopf.
„Ach, was mache ich mir nur vor. Auch wenn ich vorher nicht wusste, was sie tun wollten, ich wusste es, während sie es taten und auch danach aber ich war einfach nur zu feige, sie aufzuhalten.“ William schlug die Hände vors Gesicht. „Ich habe mir eingeredet, dass ich eh nichts ausrichten könnte und deshalb nichts unternehme, doch in Wirklichkeit war ich nicht besser als sie alle. Ich habe mich an ihren Gräueltaten zwar nicht beteiligt aber ich habe sie auch nicht daran gehindert. Robert hatte zu Beginn doch Recht gehabt, ich bin ein englischer Bastard und ein elender Feigling noch dazu.“
Marcus sah zu, wie William sich in Rage sprach und eine große Erleichterung machte sich in ihm breit. Er hatte sich doch nicht in ihm getäuscht. All diese schlimmen Taten hatte er nicht selbst begangen und bei dieser Erkenntnis fiel ihm ein Stein vom Herzen.
Er riss sich selbst aus seinen Gedanken und gebot William Einhalt, indem er seine Hände nahm und sie aus seinem Gesicht entfernte. Ein paar tieftraurige Augen trafen auf die seinen und er schüttelte voller Mitgefühl den Kopf.
„Es war nicht deine Schuld, dass dies geschehen ist, William. Und du wärst ein Narr gewesen, wenn du dich gegen diese Leute aufgelehnt hättest. Es ist richtig, dass man sie aufhalten muss, aber dies wäre dein sicheres Todesurteil gewesen und du hättest nichts erreicht. Du hast das getan, was in dieser Situation das Vernünftigste war und damit mehr Verstand bewiesen als viele andere.“
Marcus sagte dies nicht nur, um ihn aufzumuntern, sondern weil er tatsächlich von der Richtigkeit von Williams Handeln überzeugt war. Er bewunderte es sogar ein wenig, denn William hatte damit Reife gezeigt, die er selten bei Männern seines Alters gesehen hatte. Die meisten Achtzehnjährigen, denen er bislang begegnet war, wären ohne zu zögern und zu überlegen in den Tod gegangen und hätten damit niemandem geholfen. Er entsann sich auch seiner Jugend und stellte fest, dass auch er ein solcher Hitzkopf gewesen war und es noch einige Jahre gedauert hatte, bis er gelernt hatte, zunächst seinen Verstand zu benutzen und erst dann Taten folgen zu lassen.
„Aber wenn das doch so richtig war, was ich getan habe, weshalb fühle ich mich dann so elend?“, fragte William und dieses Gefühl spiegelte sich deutlich in seinem Gesicht wieder.
„Du fühlst dich so, weil du wie jeder Mann heldenhaft und mutig sein willst aber die wenigsten wissen, dass dies nicht immer einen Kampf bedeutet. Manchmal erfordert es viel mehr Mut das Richtige zu tun, als einfach sein Schwert zu ziehen und laut brüllend auf seinen Feind loszugehen“, erklärte Marcus, doch William zeigte sich noch nicht einsichtig. Und so diskutierten sie noch eine ganze Weile miteinander, bis sie irgendwann müde wurden und sich schlafen legten.
Marcus verfiel kurz, nachdem er sich hingelegt hatte, in ein tiefes und lautes Schnarchen, doch Williams aufgewühltes Gemüt kam einfach nicht zur Ruhe und ließ ihn nicht schlafen. Seine Gedanken kreisten
Weitere Kostenlose Bücher