Abschied nehmen
und forderte William durch den Druck seiner Rechten dazu auf, ihn anzusehen.
„Ich weiß, dass du Angst hast, doch das ist kein Grund sich zu schämen, William“, sprach er sanft, die Stirn in Falten gelegt. „Ich würde mich sorgen, wenn es anders wäre.“
„Ich hoffe nur, dass ich sie morgen besser verbergen kann“, lachte er nervös auf und Marcus schloss für einen Augenblick die Augen.
Er hoffte, Gott würde ihn heute Nacht zu sich holen und ihm diese Folter ersparen, doch für den Fall dass nicht, sagte er voller Überzeugung: „Das wirst du, William! Du wirst stark sein, das weiß ich!“
William nickte lediglich und es verging eine weitere stumme Weile, bis ihre letzten gemeinsamen Minuten durch die eintretende Wache beendet wurden.
„Wir sind morgen alle da, William!“ Der Griff von Marcus’ Hand schmerzte, doch William dachte nicht daran, sich daraus zu lösen. „Wir lassen dich nicht allein!“
Beide Männer kämpften eisern um Beherrschung.
„Drück alle noch mal von mir und gib Kate noch einen Kuss, ja?“
„Das werde ich, William, verlass dich darauf!“
„Gut, dann bleibt wohl nur noch zu sagen: Leb wohl, mein Freund.“
Die Worte schmerzten mehr, als Marcus es sich ausgemalt hatte, Tränen glitzerten in seinen Augen, doch er hielt sie zurück. Er ballte die Faust, bis seine Nägel sich in sein Fleisch bohrten, und zwang sich gar zu einem Lächeln.
„Leb wohl, mein Freund, möge dich, da wo du hingehst, eine bessere Welt erwarten“, erwiderte er heiser vor Betroffenheit und William schloss für einen Augenblick die Augen und schluckte schwer.
Als er sie schließlich wieder öffnete, wechselten die beiden Freunde noch einen eindringlichen Blick. Sie sagten nichts mehr, alles, was es zu sagen gegeben hatte, hatten sie bereits gesagt, so drückten sie einander lediglich noch einmal, eh Marcus sich schließlich erhob und auf ein wenig unsicheren Beinen zum letzten Mal Williams Zelle verließ.
28. Kapitel
In dieser Nacht waren Kate und Marcus nicht die Einzigen, die keinen Schlaf fanden. Der folgende Tag spukte allen im Kopf herum und ließ sie kaum ein Auge zu tun. Nur William hatte das Glück immer wieder in ein Fieberdelirium zu fallen und den quälenden Gedanken, der Furcht und Einsamkeit zu entfliehen.
In den beiden Gemächern des Gasthauses, in dem die Maccallums untergebracht waren, wachte man jedoch. Man wachte und wartete, hin und hergerissen zwischen Ungeduld und Angst, denn die Dämmerung würde zwar diese endlose Nacht beenden, sie würde jedoch auch einen grausamen Tag ankündigen.
Doch ganz gleich, ob man sich danach sehnte oder nicht, schließlich brach der Tag unvermeidlich an, beendete das unruhige Hin- und Herwälzen und so fanden sich die Maccallums ungewöhnlich früh und beinahe vollständig zum Frühstück ein. Nur Kate fehlte. Sie blieb lieber allein in ihrem Gemach und stieß erst zu ihnen, als sie sich vor dem Gasthaus zusammenfanden, um zum Marktplatz aufzubrechen.
Der Tag war bitterkalt, ein eisiger Wind pfiff durch Edinburghs Gassen und tief hängende Schneewolken bedeckten den Himmel. Doch das Wetter schien nicht widrig genug, um die Leute in ihren Häusern zu halten und sie dazu zu bringen, sich eine Hinrichtung entgehen zu lassen. Stattdessen beobachtete Kate immer mehr Grüppchen, die lachend und lärmend, offensichtlich voller Vorfreude auf das Ereignis auf den Marktplatz strömten. Sie alle drängten zunächst zu den Marktständen, an denen heißer Würzwein und allerhand Essbares pfeilgeboten wurde und irgendjemand in ihrer Nähe – sie kannte die Stimme, doch so sehr sie sich bemühte, konnte sie sie keinem Gesicht zuordnen - stellte fest, dass dies durchaus von Vorteil war. Denn so war der Marktplatz noch recht übersichtlich, was sich bei der Suche nach Jamie als nützlich erweisen würde.
Er war zusammen mit seiner Frau, Williams Schwester und Billy vor einer Stunde in Edinburgh eingetroffen, wie der junge Stallbursche, der ihnen auf dem Weg hierher, förmlich in die Arme gelaufen war, berichtet hatte. Zunächst waren sie auf direktem Wege zum Gefängnis geeilt, Jamie hatte gehofft, William noch einmal sehen zu können, doch dies war leider nicht mehr möglich gewesen, da die Hinrichtung nur anderthalb Stunden später stattfinden sollte. So war er
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