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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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nichts zu lachen und bewegte sich auf leisen Sohlen durch die Wohnung. So murmelte er denn leicht betreten, er sähe ja ein, daß sie es nicht gerade leicht gehabt habe, und das nächstemal - wenn es für ihn überhaupt noch ein Nächstesmal und einen nächsten Urlaub gäbe - nun ja, man werde schon sehen... Das machte er sehr effektvoll, sozusagen mit einem Trauerflor um die Stimme, und er erreichte damit genau, was er wollte, denn jetzt begann Mutter zu schnüffeln und seufzte: »Julchen, das wirst du mir doch nicht antun!« - Nein, er tat es ihr nicht an, und als er es ihr antat, da war er immerhin dreiundneunzig Jahre alt, und sie überlebte ihn um mehr als zehn Jahre. -Unsere Rudauer Bauersfrau stotterte die Bezahlung des Silberbestecks in Naturalien bis ins nächste Frühjahr hinein ab. Es war nicht ganz ungefährlich, die guten Sachen abzuholen und per Bahn heimzubringen, denn die Kontrollen wurden immer strenger, auch auf der Kranzer Bahn. Wenn wir unsere Bäuerin besuchten, stiegen wir immer auf der letzten Station vor Königsberg aus, wo es keine Sperren und keine Kontrollen gab, und marschierten die letzten vier Kilometer zu Fuß nach Hause.

    Die Versetzung nach Untertertia hatte für mich und auch für Alfred Kleiber mit der Hilfe unseres Sportsfreundes Dr. Metzger großartig geklappt. Ich war mit der einzigen guten Note meines Schülerlebens in den Rechenkünsten in die nächste Klasse gerutscht. Aber Vaters Mienen erhellten sich nicht, als ich ihm das gute Versetzungszeugnis stolz vorzeigte. Seine Stimmung verdüsterte sich von Tag zu Tag, denn von der Westfront kamen schlimme Nachrichten. Als Hindenburg und Ludendorff im Westen das Oberkommando übernahmen, da hatte er fest daran geglaubt, daß es nun vorangehen werde. Aber der Einsatz des Siegers von Tannenberg hatte nichts genützt. Und dann überstürzten sich die bösen Nachrichten. Matrosen-Meuterei in Kiel. Meutereien in den Garnisonen der großen Städte. Aufstand in Berlin. Und schließlich das Extrablatt der »Allgemeinen Zeitung<, daß der Kaiser abgedankt habe und nach Holland geflohen sei. Diese Nachrichten, besonders die letzte von der Flucht des Kaisers, die meine Klassenkameraden und mich nicht sonderlich erschütterte, machten Vater so krank, daß er sich ins Bett legte und tagelang nicht ansprechbar war. Dem Vater von Kurt Gronwald, der kaiserlicher Hoflieferant gewesen war, ging die Abdankung des Kaisers auch furchtbar an die Nieren. Aber der Vater von den Zwillingen Wallowitz sagte, er habe den Wilhelm immer für ein Großmaul und für einen Feigling gehalten und habe von Anfang an gewußt, daß dieser Krieg ein schlimmes Ende nehmen werde. Als ich ihn dann fragte, ob er mir deshalb meine Berliner Renommier-Uhr nicht repariert hätte, blinzelte er mich an und sagte: »Du bist ein Aff, und deine Scheißuhr gehörte genauso auf den Misthaufen wie der Wilhelm mit seinem Säbelgerassel. Und wer das Schwert zieht, der wird durch das Schwert umkommen, jawoll!« - Er war nämlich, genau wie die Eltern vom Alfred Kleiber, Blaukreuzler oder so etwas Ähnliches und verfügte über einen reichen Vorrat an Bibelsprüchen. Vater hätte ich das nicht erzählen dürfen, der hätte mir den Umgang mit den Zwillingen sofort verboten, von denen mir besonders Walter imponierte, der eine halbe Stunde vor Paul auf die Welt gekommen war. Wenn es damals schon Quiz-Spiele gegeben hätte, wäre er als Karl-May-Experte zu Ansehen und Vermögen gekommen. Außerdem war er ein leidenschaftlicher Sammler, kein öder Spezialist für Briefmarken oder Stollwerkbildchen, er sammelte einfach alles, Stanniolpapier, Zinnsoldaten, Bücher, Mineralien, Ansichtskarten, Stempelmarken, Notgeld, ausländische Münzen, kurzum, er war ein vielseitig interessierter Knabe. In meinem ersten Tagebuch, dessen erste Eintragung vom 10.4.1917 stammt, sind mit dem Datum des 9. August unter der Überschrift >Deutsche Giftpflanzen< vom Adonisröschen bis zum Zwergholunder 42 Giftkräuter aufgeführt. Und darunter steht: »Walter W. und ich sammeln Fläschchen. Werden Gift bereiten!« - Einige Tage später scheinen wir die Giftbereitung bereits aufgegeben zu haben, denn darüber findet sich keine weitere Notiz, dafür aber ist am 20. August vermerkt: »Mit W. W. gekuppelt, gab ihm den Blauen Methusalem von Karl May, er mir Unter Pampasindianern von Gerstäcker und ein Kamerad-Buch Der Buschläufer. Ziemlicher Mist. W. hat mich begaunert.« Wenn ich heute in diesem rührend komischen

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