Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
nur die Kinder kriegen von den Stichen so’ne Quaddeln - aber dafür ist die Miete sehr billig, nur fünfundvierzig Mark!< Hast du Worte?«
    Mit Tapetenflundern hatte Mutter ihre Erfahrungen. Als ich nämlich für die Wiege zu groß geworden war, hatte Mutter sich auf den Weg gemacht, um mir ein Kinderbett zu kaufen. Dabei war sie meiner Patentante Giersberg begegnet, jener, die mir alljährlich zum Geburtstag und zu Weihnachten drei Paar schrecklich kratzende braune oder schwarze Wollstrümpfe schenkte. Diese nun hatte noch ein Kinderbett auf dem Dachboden stehen, war froh, es loszuwerden, genauso froh wie Mutter, die für einen Taler zu einem tadellosen Kinderbett samt Matratze kam. Ich wurde noch am gleichen Tag umquartiert, muß aber am nächsten Morgen einen so erschreckenden Anblick geboten haben, daß Mutter in der Furcht, ich könnte die Masern bekommen haben oder von einer scheußlichen Hautkrankheit befallen sein, den alten Sanitätsrat Wollschläger ins Haus rief; dem genügte ein kurzer Blick, um die Krankheit zu diagnostizieren. »Seit wann hat der Junge denn das?« fragte er. - »Seit heute früh, Herr Sanitätsrat.« - »Und seit wann hat er das Bett?« - »Seit gestern!« »Und wo haben Sie das Bett gekauft?« - »Das hat mir Frau Giersberg überlassen.« - »Was haben Sie dafür bezahlt?« - »Drei Mark«, antwortete Mutter verunsichert, denn die Fragen kamen ihr merkwürdig vor. - »Da haben Sie aber entschieden zu teuer eingekauft«, sagte der alte Wollschläger, »denn jetzt brauchen Sie noch einen oder zwei Liter Petroleum, und wenn die besorgt sind, dann stellen Sie das Bett mitten auf den Hof, schütten das Petroleum rüber und zünden es an. Das ist der beste Rat, den ich Ihnen geben kann - und den gebe ich Ihnen ausnahmsweise umsonst. Und bestellen Sie vorsichtshalber den Kammerjäger, denn so wie ich die lieben Tierchen kenne, wird ein Bataillon Wanzen schon auf Erkundung unterwegs sein, an wem es hier sonst noch was zu schnabulieren gibt.« -Mutter war es schrecklich peinlich, aber was blieb ihr anderes übrig, als den Rat zu befolgen. Das Autodafé auf dem Hof unterblieb der Nachbarschaft wegen. Ernst zog bei Nacht und Nebel mit einem Handkarren los und überantwortete Bett und Wanzen irgendwo draußen auf freiem Feld der reinigenden Kraft des Feuers. Und bei Nacht und Nebel hielt der Kammerjäger Einzug und räucherte das Schlafzimmer der Eltern mit bestem Erfolg aus.
    Die erste Wohnungssuche in Bartenstein war also danebengegangen, und genauso erfolglos blieben die Fahrten, die die Eltern in den kommenden Wochen unternahmen. Auch eine Anzeige, die sie in der Bartensteiner Zeitung aufgaben, brachte nichts ein. Vater wurde ziemlich nervös, denn der Termin seiner Versetzung rückte immer näher. Schließlich, nach langem Hin und Her, kam er eines Tages mit der Nachricht zurück, man habe ihm angeboten, uns im Amtsgericht selber eine Flucht von drei oder vier zusammenhängenden Räumen als Wohnung herzurichten, ohne Badezimmer allerdings, aber mit Gasanschluß in der Küche. Und vielleicht könne später, wenn das Leben wieder normal liefe, sogar im Keller ein Bad eingerichtet werden. Er machte dazu ein Gesicht, als ob die Wohnungsfrage nunmehr eine ideale Lösung gefunden habe, aber ganz wohl fühlte er sich dabei unter Mutters verkniffenem Blick nicht.
    »Das sehe ich mir erst einmal an!« sagte sie hüstelnd. »Eine Wohnung im Amtsgerichtsgebäude... Na, ich weiß nicht recht... Also ich würde die Leute, die da wohnen, für das Hausmeister-Ehepaar halten...«
    »Entschuldige schon, Lina«, konterte Vater empört und legte den Akzent deutlich auf die zweite Silbe von Mutters Namen, was er nur tat, wenn zwischen ihnen der Sturmball hochgezogen war, »es handelt sich um eine Wohnung im Hochparterre! Der Hausmeister wohnt im Landgericht, und zwar im Souterrain! Und niemand wird mich für den Hausmeister und dich für die Hausmeistersfrau halten!«
    »Noch habe ich die Wohnung nicht gesehen«, sagte Mutter kühl, »und noch haben wir sie nicht bezogen!«
    »Auf jeden Fall sehen wir uns die Sache an«, entschied Vater, »und wenn wir im Augenblick nichts Besseres finden, dann nehmen wir die Wohnung eben als Provisorium.«
    Die Besichtigung fand am nächsten Sonntag statt, und es gelang mir, die Eltern zu beschwatzen, mich auf die Reise nach Bartenstein mitzunehmen. Es war ein sonniger, aber bitterkalter Februartag, als der Zug nach einstündiger Fahrt über Tharau, Preußisch Eylau und

Weitere Kostenlose Bücher