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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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bekannt wie ein bunter Hund und hatte allerorts gute Freunde, die bei seinem Erscheinen auffuhren, was Küche und Keller hergaben. Immer ging es nach der Devise: Vor dem Schnaps ein Schnaps und nach dem Schnaps ein Schnaps, na, und ein Schnäpschen werdet ihr doch wohl noch vertragen, und jetzt noch ganz schnell einen zum Abschied. Die kurzen Ferientage im Memelland erlebte ich in einem ständigen Zustand mittelschwerer Vernebelung. Die Schnapssauferei war fürchterlich, aber ich getraute mich nicht, nein zu sagen, um nicht als Schwächling zu erscheinen und mich vor Onkel Walter zu blamieren, der mich für einen gestandenen Mann zu halten schien, zu mir von Mann zu Mann sprach und bei dem als Mann nur galt, wer auch im Vollrausch bolzengerade aufrecht stand. »Immer Haltung, Jungchen! Wie die alten Germanen! Und wenn du am nächsten Morgen auch meinst, daß du sterben mußt, glaub einem Mann, der etwas davon versteht: Wenn dann am Abend die liebe Säufersonne aufgeht« - (ich muß ihn wohl etwas dumm angesehen haben, denn er erläuterte: »Der Mond, du Dussel!«) - »dann schmeckt’s wieder!« - Es war schön, einen Onkel zu haben, der einem die wertvollen Erfahrungen, die er im Leben gesammelt hatte, nicht vorenthielt. Von Vater hatte ich solch nützliche Unterrichtungen nie erhalten.
    Am nächsten Morgen trommelte mich Onkel Walter schon um sechs aus dem Bett, denn es war der Tag gekommen, an dem Herr Pösche seinen fünfzigsten Geburtstag feierte. Frau Jendrosch setzte uns ein kräftiges Frühstück mit Eiern, Käse und Schinken vor, und Onkel Walter redete mir gut zu, tüchtig zu essen, denn das Wichtigste an einem solchen Tag sei eine gute Unterlage. Bevor wir aufbrachen, ging Onkel Walter zu Frau Jendrosch in die Küche, zog eine flache Flasche mit einem Schraubverschluß aus der Brusttasche, reichte sie Frau Jendrosch, und die füllte, ohne daß dabei ein Wort gewechselt wurde, die Flasche aus der Ölkanne mit dem Rapsöl bis zum Halse voll, und Onkel Walter steckte sie wieder in die Tasche zurück. Er sah meinen fragenden Blick und fand eine neue Gelegenheit, mich aus dem Born seiner Lebenserfahrungen mit praktischen Ratschlägen zu bereichern: »Die meisten nehmen rohe Speckwürfel. Aber das ist eine Schweinerei, oder man müßte sich eine Tasche mit Wachstuch füttern lassen, damit der Speck nicht durchfettet. Ich nehme Öl. Schluckzessive. Immer nach Stücker fünf oder sechs Schnäpsen einen Eßlöffel voll. Das ist wie bei der christlichen Seefahrt, wenn die schweren Brecher über Bord schlagen, Öl besänftigt nicht nur die Meereswogen, sondern auch den Magen. Denk daran und komm zu mir auf einen kurzen Schluck, aber nicht erst, wenn du schon zuviel intus hast, sondern zwischendurch - immer zwischendurch, verstanden!« Er sah mich ernst an und hob mahnend den Zeigefinger: »Und halte dich an die klaren, reinen Sachen! Laß dich von den Weibern um Himmels willen nicht dazu verführen, Liköre zu kippen! Die drehen dir die Därme um, und da hilft kein Speck und kein Öl...« Fest entschlossen, größte Zurückhaltung und Enthaltsamkeit zu üben und mich weder von Männern zu harten noch von Damen zu süßen Getränken verführen zu lassen, schwang ich mich neben Onkel Walter auf den Bock des Einspänners. In Piktupönen machten wir vor der Postagentur kurz Rast, um Tante Grete und Onkel Karl zu begrüßen. Tante Grete war leicht beleidigt, als wir ihre Einladung zu einem zweiten Frühstück ausschlugen und auch das Morgenschnäpschen dankend ablehnten, denn auf einem Bein wären wir bei ihr ganz gewiß nicht stehengeblieben. Auch sie war zu der Geburtstagsfeier eingeladen, aber sie wollte erst am Nachmittag zur Kaffeetafel aufkreuzen. Auf der Straße von Piktupönen in Richtung Wischwill ging es schon um diese frühe Morgenstunde so lebhaft zu, als ströme die halbe Bevölkerung des Memelgebietes einem Jahrmarktsfest entgegen. Und es waren zumeist auch nicht Einzelpersonen, sondern ganze Vereine, die zwei- und vierspännig dahinzogen, um den Geburtstag mitzufeiern. Viele von ihnen schon reichlich illuminiert, denn trocken war kaum eins von den Fahrzeugen unterwegs; wo man kein Fäßchen Bier mitführte, da ließ man zum Anfeuchten der Sängerkehlen die Kornflasche rundum gehen. -
    Kurz und böse: Ich ließ mich von den Töchtern des Hauses, von denen eine, die hübsche Hermine, in meinem Alter war, trotz Onkel Walters dringenden Warnungen dazu verleiten, mich an ihren Lieblingslikör, ans Danziger

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