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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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wegsaugte, während sich das Sägeblatt durch das Holz fraß. In der Ecke lehnte ein Besen, an dessen Griff oben eine Kehrschaufel befestigt war. Wie oft war Ken von seinem Vater ermahnt worden, erst oben sauber zu machen? «Es landet sowieso alles auf dem Fußboden», hatte er gesagt und extra nochmal durchgefegt, bevor er seine Schürze aufhängte. Auf der Bank, unter dem gleichmäßigen Neonlicht, hatte der einfache Lastwagen oder das Flugzeug, die sie zusammen angefertigt hatten, auf einem zusammengefalteten Zeitungsblatt gelegen, das unter der trocknenden Lackschicht glänzte, und würde am nächsten Morgen griffbereit auf ihn warten. Das hier sah eher aus wie seine eigene Werkbank, ihr alter, in den Keller verbannter Küchentisch, voll benutzter und dann liegen gelassener Werkzeuge, leerer Batterien, gescheiterter Sekundenkleberprojekte.
      Sein Blick huschte über die beiden riesigen Metallregale auf der anderen Seite, voll gepackt mit schimmeligen Whiskykartons und rostigen Farbdosen, einem Kanister blaue Wischerflüssigkeit. Daneben standen eine eingerissene Coleman-Kühlbox, ein Verandatisch, dessen Glasplatte fehlte, eine große Kiste für eine Klimaanlage, die sie nie besessen hatten, voll gestopft mit orangen Schwimmwesten, die er früher einmal getragen hatte und die jetzt vermutlich einer Mäusesippe als Nest dienten. Schläuche, Seile, Eimer, Bretter - es war einfach zu viel. Es war wie bei einem Umzug. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte.
      «Versuch nicht, irgendwas zu sehen, fang einfach an zu fotografieren», hörte er Morgan sagen.
      Er schummelte, mit dem Blitz, es würde furchtbar aussehen, aber es gab keine Möglichkeit, das hier richtig aufzunehmen, nicht mit der Nikon. Er brauchte bloß sein Weitwinkel, gutes Licht und einen Aufheller, dann konnte er alles schaffen, was er wollte - aber er dachte schon wieder zu viel nach.
      Es kam ihm mechanisch vor, jedes Bild zu einfach, reine Aufzeichnung, bestenfalls dokumentarisch. Die Bank war am schlimmsten, völlig uninteressant, ein einziges Durcheinander. Er fotografierte den Kühlschrank, offen und geschlossen, die beiden Benzinkanister und den Trichter, die zerkratzte Front des Metallschränkchens. Die schlurfenden Schritte zwischen den einzelnen Einstellungen hallten, mit jedem Foto fühlte er sich unwohler, bis er sich aufrichtete und innehielt, die Nikon herabhängen ließ und sich mit dem Handrücken die Augen rieb.
      Manchmal lief es so, wenn man eine Weile nicht gearbeitet hatte.
      Oder wenn man nichts taugt, dachte er. Wenn man einfach nicht besonders gut ist.
      Er war noch benommen von letzter Nacht, wo er mit Meg lange aufgeblieben war. So bekifft war er seit dem College nicht mehr gewesen. Zunächst einmal war es seltsam, hier zu sein, die Woche eine Lücke in ihrem richtigen Leben. In Boston wartete alles auf ihn - ihr schrumpfendes Bankkonto, sein beschissener Job, Morgans kluge Ratschläge.
      Auf Meg würde bei ihrer Rückkehr noch weniger warten. Als Kind hatte er gedacht, seine Familie sei etwas Besonderes, irgendwie gesegnet. Vielleicht hatte er zu viel erwartet oder nicht hart genug gearbeitet. Es konnte nicht bloß am Glück oder an falschen Entscheidungen liegen.
      Er drehte sich um und musterte die Wände, in der Hoffnung, ihm würde etwas ins Auge springen. Ein Holzrechen, ein Käscher aus Aluminium, eine Bambusstange, mit der sein Vater immer die Drachen und Balsaholz-Segelflugzeuge aus der Kastanie befreit hatte. Der Blitz brachte das nackte Holz zum Vorschein, und Ken fragte sich, wie es auf den Fotos aussehen würde. Er hatte erwartet, dass das Sommerhaus ihm Motive liefern, dass er bei dessen Anblick mehr empfinden würde, doch was er durch den Sucher sah, drückte seine Gefühle für seinen Vater nicht aus. Das meiste Gerümpel hätte sonst wem gehören können. Die abgenutzte Husqvarna-Kettensäge, der alberne Meerjungfrauen-Fender mit den witzigen Titten. Wenn die Wohlfahrt da gewesen war, würde ein teures Reinigungsunternehmen den Rest zur städtischen Mülldeponie transportieren und den Fußboden so sauber hinterlassen wie die Werkstatt seines Vaters.
      Er nahm die Stableuchte mit und verknipste auf der anderen Seite den zweiten Film. An die von Spinnweben überzogenen Gartenstühle konnte er sich noch erinnern, die waren gut und gern dreißigjahre alt, ihre Aluminiumbeine wegen Metallermüdung zusammengedrückt und eingerissen, ein Zuhause für Spinnen. Grünweiße Sitze, mit

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