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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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ganzen Weg wie auf einer endlosen Karussellfahrt gefühlt. Mittags hatten sie im Allegheny Forest gehalten, um etwas zu essen, hatten im Schatten der wohlriechenden Kiefern eine Decke ausgebreitet und wieder miteinander geschlafen, die Bäume hinter Henrys Schultern hoch wie Türme. Sie hatte sich vorgestellt, dass der State Ranger sie in Ruhe lassen würde, wenn sie ihm erklärten, dass sie frisch verheiratet seien, und ihm die Spuren der Rasiercreme auf dem Wagen zeigten. Sie hatten voll Heißhunger gegessen, sich gegenseitig Hände voll Weintrauben in den Mund gesteckt, sie auf ihren Gesichtern zerdrückt, die Parodie eines Films über das dekadente Rom, den sie gesehen hatten, Ingrid Bergman in einem Tuch und Sandalen. Noch nie hatte sie an einem Tag so viel gelacht.
      Jetzt, im Kreis ihrer Familie, dachte sie, dass es kein Verlust war. Sie hatte diese Zeit erlebt, und sie gehörte ihr noch immer, wenn auch nur in ihrer Erinnerung. Es half nichts, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu vergleichen.
      Sie fuhren einen lang gezogenen, sanft abfallenden Hügel hinab, und plötzlich lag vor ihnen der See, mit Schaumkronen bedeckt und unter dem dunklen Himmel fast schwarz. Am gegenüberliegenden Ufer drängten sich die Häuser.
      «Da ist Kanada», sagte Kenneth zu den Mädchen.
      «Sieht genauso aus wie hier», erwiderte Ella.
      «Ist auch kein großer Unterschied», gestand Ken.
      Frisch verheiratet, hatte Emily es noch als ein anderes Land gesehen, so groß und geheimnisvoll wie das Leben, das sie mit diesem Mann führen würde, der neben ihr den Wagen lenkte. Damals hatte sie zum ersten Mal die Vereinigten Staaten verlassen, und am Zoll war sie nervös gewesen. Als der Uniformierte in dem Häuschen gefragt hatte, was sie in Kanada wollten, hatte Henry gesagt, sie seien in den Flitterwochen, und der Mann hatte sich geduckt, um Emily anzulächeln und sie und Henry feierlich zu begrüßen, als wäre er Botschafter und sie seine Ehrengäste.
      Die Peace Bridge war vertraut, die Autos drängelten, um auf die richtige Fahrspur zu gelangen.
      «Nichts anzugeben», las Kenneth. «Das dürfte auf uns zutreffen.»
      Diese Ironie war zu viel für Emily, und sie schaute aus ihrem regengesprenkelten Fenster und betrachtete die anderen Autos, deren Rücklichter aufleuchteten, während sie sich im Schritttempo den Häuschen näherten. Sie konnte so vieles angeben.
      Ihr Leben war nicht tragischer verlaufen als das anderer Leute. All diese Menschen in ihren warmen Autos würden letztlich ihre Angehörigen verlieren oder selbst sterben und ihre Familie zurücklassen. Städte würden sich füllen und leeren, Gebäude unter der Abrissbirne zusammenstürzen. Das verstand sich von selbst, und nur ein Idiot oder ein verträumter Teenager würde es als schrecklich empfinden, wie Margaret, die bei Du-chess' Tod im Schnittlauchbeet gedacht hatte, das Ende der Welt sei gekommen (es war für jenes Jahr das Ende des Schnittlauchs gewesen, sonst nichts, im nächsten Frühling hatten die grünen Stängel wieder aus der Erde hervorgeschaut).
      Bei ihrer ersten Überquerung dieser Grenze war sie sich der Zeit kaum bewusst gewesen, sie hatte gedacht, sie hätte ihre Kindheit überwunden, sie einfach abgeschüttelt, wie Kersey und das linkische Mädchen, das sie einmal gewesen war, hätte die ungeliebte Kleinstadt in der Wildnis ihrem Schicksal überlassen. Und als sie triumphal zurückkehrte, stellte sie fest, dass die Stadt und das Mädchen unverändert waren, dass beim Anblick ihres Elternhauses die Erinnerungen nur so hervorsprudelten - an Prügel und schlechte Zeugnisse, an den Abend, als sie und Laurel Saunders verhaftet worden waren, weil sie am Footballplatz Brandy getrunken hatten. Unverändert und hässlich - sie fand es zum Weinen, die Innenstadt mit ihren erbärmlichen Damenmodegeschäften zu sehen, wo sich die Freundinnen ihrer Mutter ihre Kleider kauften. Sie hatte sich so geschämt, dass sie nie wieder hinfahren wollte, aber auf Henrys sanftes Drängen hin tat sie es doch, jedes Jahr in den Ferien, während die Kinder größer wurden und die Straßen und die engen Tante-Emma-Läden ihre Bedeutung verloren, bis sie irgendwann den Ort vermisste, an dem sie aufgewachsen war, und dann war ihr Vater gestorben und dann ihre Mutter, und es gab keinen Grund mehr hinzufahren, nur noch die Fassaden der Häuser, die Grundschule, die in einen Wohnblock verwandelt worden war, das Kino, auf dessen Anzeigetafel

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