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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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pflückte das Zehncentstück vom Teppich und ließ es heimlich in die Tasche seiner Shorts gleiten. Beim Schuhbinden schaute er noch einmal nach allen. Er war sicher, dass ihn niemand beobachtet hatte. Er suchte seinen Game Boy und ging zur Treppe, blieb oben nochmal stehen und betrachtete alle ein letztes Mal. Er hätte sich auch noch ein Fünfcentstück nehmen können.
      Grandma war schon wach und kochte auf dem Herd Kaffee. Rufus kam herüber und schnupperte an ihm, und Sam musste den Kopf des Hundes wegschieben.
      «Sieh mal, wer da kommt», sagte Grandma. «Sam Sam, der Dinosaurier-Mann, ein wahrer Frühaufsteher. Bist du bereit für ein Grandma-Frühstück?»
      «Okay.»
      «Was für einen Toast willst du zu deinen Eiern? Heute früh haben wir Auswahl.»
      Er wartete am Küchentisch, während sie weich gekochte Eier machte und über dem Herd Dampf aufstieg. Zu Hause würde er jetzt Fernsehen gucken, in der Hoffnung, dass sie das Ergebnis der Red Sox zeigten, damit er es seinem Vater sagen konnte, sobald er runterkam, aber hier war ESPN nicht zu empfangen, und Grandma wollte sowieso nicht, dass sie es guckten. Er schaltete seinen Game Boy ein und wartete, bis Pokémon Red geladen wurde.
      «Du hast doch nicht etwa vor, die ganze Zeit, die du hier bist, mit dem Ding da zu spielen», sagte sie.
      «Nein.» Er hatte vorgehabt, damit auf die Veranda zu gehen und bei leise gedrehtem Ton zu spielen, damit es nicht auf die eine Stunde angerechnet wurde; jetzt war das unmöglich. Er schaltete den Game Boy aus.
      «Danke. Dir fällt bestimmt was anderes ein, was du tun kannst. Deine Mutter sagt, du liest gern.» Sie sah ihn an, als erwartete sie eine Antwort.
      «Ja.»
      «Was für Bücher liest du denn gern?»
      «Matt Christopher.»
      «Und worüber schreibt Matt Christopher?»
      «Baseball.»
      «Gehe ich recht in der Annahme, dass es eine ganze Reihe von diesen Büchern gibt?»
      «Ja.»
      «Hast du alle gelesen?»
      «Nur die ersten drei. In der Bücherei gibt es ungefähr fünfzehn.»
      «Würde es dir gefallen, diese Bücher zu Weihnachten zu bekommen?»
      «Klar.»
      «Was machst du sonst noch? Wie war's am Meer? Dein Vater hat gesagt, ihr seid mit der Fähre nach Block Island gefahren.»
      «Ja», sagte er, «wir sind mit Fahrrädern zu diesem coolen Leuchtturm gefahren», und er fragte sich, ob sein Vater ihr auch erzählt hatte, dass er dabei erwischt worden war, wie er in der Snackbar ein Butterfinger stehlen wollte. Seine Mutter hatte ihm auf die Finger gehauen, und er hatte geweint, und da hatte sein Vater ihn in den Arm genommen und gesagt, dass sie ihn trotzdem liebten und das Ganze nicht so schlimm wäre.
      «Wie ist es auf Block Island? Ich war noch nie da.»
      Während er es ihr erzählte, stellte sie ihm seine Eier mit Toast hin und schenkte ihm ein Glas Orangensaft ein, obwohl er eigentlich erst ein Glas Milch trinken sollte. Er bröckelte den Toast in das flüssige Eigelb und fing an zu essen, und sie setzte sich ihm gegenüber und schob die Blumen, die seine Mutter gekauft hatte, beiseite, damit sie ihn besser sehen konnte. Rufus legte sich hin und wandte ihm das Gesicht zu, für den Fall, dass er etwas fallen ließ.
      Grandma erkundigte sich nach Ellas Zahnspange und nach der Schule, fragte, welche Lehrer sie dieses Jahr bekommen würden. Sie fragte, ob seine Mutter arbeitete und wer nach der Schule auf Ella und ihn aufpasste. Sie fragte, ob seinem Vater seine Arbeit gefiel. Sam sagte, er wüsste nicht viel über dessen neuen Job.
      «Tatsächlich», sagte sie, «dein Vater hat einen neuen Job?»
      «Ja. Er entwickelt Fotos. In einem Labor, ich weiß nicht wo.»
      «Dann muss ich ihn wohl einfach fragen. Wie sind deine Eier?»
      «Klasse.»
      «Willst du noch ein bisschen Saft haben?»
      «Ja, bitte.»
      Sie schenkte ihm noch ein Glas ein und kam zurück. Sie erkundigte sich nach Grammy und Grampa Sanner und fragte, wie es ihnen ginge und ob sie vielleicht an Thanksgiving zu Besuch kämen. Und an Weihnachten? Sie fragte, ob Ella schon einen Freund hätte, und dann, mit verschmitztem Lächeln, ob er schon eine Freundin hätte.
      Die ganze Zeit, in der sie mit ihm redete, kam Sam sich besonders vor, auserwählt, und als sein Vater mit seiner Kameratasche runterkam und ihnen einen guten Morgen wünschte, war es, als hätte er einen Zauberbann gebrochen. Rufus stand auf, um an ihm zu schnuppern, und Sam

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