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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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niedrigen Schrank (für Sam.) Der Schrank selbst war nichts wert, die Lackierung hatte ihm nie gefallen, zu dunkel. Die Zederntruhe kam in Frage, auch wenn im Auto kein Platz war. Sein Blick huschte in Gedanken durch alle Zimmer und dann in die Garage, die Höhle, in der sich sein Vater versteckt hatte, allein mit seinen Schätzen. Der Grillanzünder, ja, und der kleine Kühlschrank, avocadogrün und voll hässlicher Aufkleber. Die wollte sonst bestimmt niemand haben. Wenigstens etwas konnte er aus dem Sommerhaus retten.
      «Wenn ihr mir eure Listen morgen geben könntet, wäre das hilfreich», sagte seine Mutter.
      «Wie viele Sachen können wir draufschreiben?», fragte Meg.
      «Fünf dürften ausreichen. Es gibt hier ja nicht so viel. Ach, Arlene nimmt schon den Fernseher, der fällt also weg. Die anderen Geräte bleiben im Haus - die wollt ihr sowieso nicht haben.»
      «Das klingt nach einer lautlosen Versteigerung», sagte Arlene belustigt.
      «Und seht euch in dieser Woche bitte um», sagte seine Mutter mit ausgestreckten Armen. «Alles muss weg.»
      Kleinkram, dachte er. All das Zeug auf dem Kaminsims. Murmeln, Tees, Ballmarken, Taschenleuchten. Kartenspiele, deren Rückseiten er bestens kannte, weich geworden durch die Hände einer ganzen Familie und jahrelange Feuchtigkeit. Einen Sommer hatten sie jeden Abend Hearts gespielt, der Spielstand auf einem Zettel am Kühlschrank vermerkt (er hatte damals geweint, nicht mehr mitgespielt, weil er so weit hinten gelegen hatte). Bridge, Gin, Michigan Rummy. Sein Vater war ein stiller Spieler gewesen, ein konservativer Bieter, der einem, wenn er verloren hatte, nie seine Karten zeigte. Genau wie ich, dachte Ken, befürchtete dann aber, dass er sich das nur einbildete. Sein Vater war besser gewesen als er, sicherer, viel geschickter. Seinen Vater würde es nicht überraschen, dass er, konfrontiert mit der Frage, was er am liebsten haben wollte, an irgendwelchen kindischen Plunder dachte.
      Dann also die Zedern truhe. Das war eine ernst zu nehmende Entscheidung, die Lise gut finden würde.
      Zu ihrer Rechten ging plötzlich ein Strahler an, das Haus der Lerners sprang aus der Dunkelheit hervor, der Weidezaun und die mit Brettern vernagelte Veranda flach wie eine von O. Winston Link fotografierte Lokomotive, und dann rief eine elektronische Stimme, untermalt von einem eintönigen schrillen Piepen: «Achtung, Einbrecher, Achtung, Einbrecher.»
      «Was ist das, verdammt nochmal? », fragte Meg und hielt sich im Aufstehen die Ohren zu.
      «Das ist die Alarmanlage», brüllte seine Mutter.
      Nach einer Minute würde sie sich wieder ausschalten, aber so lange wollten sie nicht warten, gingen ins Haus und schlossen die Tür.
      «Achtung, Einbrecher», plärrte die Stimme immer wieder in bedrohlich klingender Gleichförmigkeit, «Achtung, Einbrecher, Achtung, Einbrecher.» Das Piepen, das anfangs kaum zu hören gewesen war, wurde bald unerträglich. Die Jungs steckten sich die Finger in die Ohren und wälzten sich auf dem Teppich herum. Die Mädchen warfen den Erwachsenen wütende Blicke zu, als wäre jemand von ihnen schuld.
      «Das war wahrscheinlich ein Eichhörnchen oder so etwas Ähnliches», sagte seine Mutter, die schon am Telefon stand, um die Polizei zu verständigen. Sein Vater hatte die Nummer des Sicherheitsdienstes irgendwo hingelegt, aber sie hatte keine Ahnung, wo.
      Die Polizei musste kommen und das Haus durchsuchen.
      «So viel Aufregung an einem einzigen Tag», sagte Arlene.
      «Darauf kann ich gut verzichten», ergänzte seine Mutter.
      Sie drängten sich im Haus zusammen, als stünden sie unter Beschuss. Als die Alarmanlage endlich verstummte, hing noch ihr Echo in der Luft und dann das Zirpen der Heuschrecken. «Achtung, Einbrecher», äffte Sam die Stimme nach, und Lise brachte ihn mit erhobenem Zeigefinger zum Schweigen.
      Das Haus der Lerners war wieder dunkel, der Steg und der See unsichtbar, doch die Ruhe war durchbrochen, die abendliche Stille zerstört.
      Sie zogen sich wieder ins Haus zurück, wo das Licht und die heruntergelassenen Jalousien das Wohnzimmer noch kleiner erscheinen ließen, als es in Wirklichkeit war. Lise und Meg holten ihre Bücher hervor und scheuchten die Jungs vom Sofa. Seine Mutter suchte ihren aus der Bücherei entliehenen Krimi und setzte sich neben der Lampe in der Ecke in den Sessel seines Vaters, als wäre er ganz selbstverständlich auf sie übergegangen. Arlene

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