Abschied von der Küchenpsychologie
solchen, die ungewöhnlich, originell oder witzig sind. Zwei Beispiele: Was kann man alles mit einer alten Zeitung machen? Oder: Was könnte man unter einem «Krallenanschlag» verstehen? (eine Aufgabe aus der Fernsehsendung «Genial daneben». Denken Sie sich lustige Bedeutungen aus!).
Kreative Fähigkeiten sind unter anderem für literarische und künstlerische Leistungen von Bedeutung. Das dabei geforderte Denken wird auch «divergentes Denken» genannt, weil es in unterschiedliche Richtungen geht, während man bei typischen Intelligenzaufgaben ganz «konvergent» auf eine bestimmte richtige Lösung zusteuert. Um kreativ-divergente Denkleistungen zu erfassen, wurden Kreativitätstests entwickelt, die allerdings in ihrer Aussagefähigkeit weniger eindeutig sind als Intelligenztests, auch deshalb, weil der Begriff der Kreativität stärker «schillert». Im Übrigen kann die Kreativität schwerlich ein allgemeines Personmerkmal sein, weil kaum jemand rundum kreativ ist, sondern vorrangig in bestimmten Bereichen, z.B. im technischen, im sprachlichen oder im musikalischen Bereich.
Die Ergebnisse von Kreativitätstests stehen, statistisch gesehen, nur in mäßigem Zusammenhang mit der Testintelligenz – was unterstreicht, dass es sich im Prinzip um verschiedenartige Leistungen handelt. Im Einzelfall gibt es natürlich Menschen mit gleichermaßen guten konvergenten
und
divergenten Leistungen. Doch darf man sich eben auch nicht wundern, wenn manch ein «intelligenter» Mensch, der (zumindest in seinen Gebieten) durch präzise Analyse und logische Schlüsse beeindruckt, nicht zugleich ein witziger Erzähler oder Sprachkünstler ist.
Weiterhin hat sich gezeigt, dass die Bewältigung von
komplexen
Problemen nur mäßig mit der Testintelligenz zusammenhängt. Komplex ist ein Problem, bei dem zahlreiche Aspekte miteinander vernetzt sind. Wer eine Firma zu managen oder als Bürgermeister für das Wohlergehen seiner Stadt zu sorgen hat, muss z.B. wirtschaftliche und juristische und politische und soziale und andere Aspekte beachten und bei jeder Entscheidung auch bedenken, welche Nebenwirkungen sie mit sich bringen kann. Das gilt aber nicht nur für Führungsaufgaben in Politik und Wirtschaft. Viele Anforderungen «im wirklichen Leben» sind im Prinzip von dieser Art. Eine Schulklasse führen, eine Examensarbeit schreiben, einen Familienkonflikt lösen – dabei muss man vieles gleichzeitig bedenken und meist auch mehr als nur intellektuelle Kompetenzen mitbringen. Insofern sind dies ganz andere Anforderungen als das Lösen gut überschaubarer Test- und Denksportaufgaben, und das ist wohl ein Grund, weshalb beruflicher Erfolg nur begrenzt mit der Testintelligenz zusammenhängt. Wie erfolgreich kann beispielsweise ein Manager sein, der zwar ein «scharfer Analytiker» ist, aber schlecht kommuniziert und kooperiert und dadurch immer wieder gute Mitarbeiter verliert oder organisatorische Abläufe behindert?
Nimmt man also die Bewältigung anspruchsvoller Aufgaben im beruflichen und privaten Bereich als Maßstab, dann erfasst Intelligenz im traditionellen Sinn gewiss nicht alle relevanten Fähigkeiten. Dies veranlasste einige Forscher zu einer deutlichen Ausweitung des Intelligenzbegriffs.
Erweiterungen: Erfolgsintelligenz, multiple Intelligenzen
Robert Sternberg ist ein Beispiel für einen Menschen, der eine Kluft zwischen Testintelligenz und persönlichem Erfolg am eigenen Leibe erlebte. Er ist ein ungemein produktiver Wissenschaftler und bekannter Intelligenzforscher, doch als Kind schnitt er in Intelligenztests nach eigener Auskunft ziemlich miserabel ab. Als weiteres Beispiel erwähnt er Nobelpreisträger James Watson.
Sternberg entwickelte daher das Konzept der
Erfolgsintelligenz
. Darunter versteht er «jene Art von Intelligenz, die wir einsetzen, um wichtige Ziele zu erreichen», und die gründet sich nach Sternberg auf drei Komponenten: ( 1 )
Analytische Intelligenz
: Sie entspricht weitgehend der traditionellen Intelligenz. ( 2 )
Kreative Intelligenz
: Sie zeigt sich darin, dass man interessante Probleme entdeckt, Ideen produziert und eigene Projekte entwickelt. ( 3 )
Praktische Intelligenz
: Sie beweist sich in der Umsetzung von Ideen, beispielsweise im Vereinfachen von Arbeitsabläufen oder im geschickten Befragen; die nonverbale Kommunikation spielt hier oft eine wichtige Rolle. Menschen mit Erfolgsintelligenz, so Sternberg, kennen ihre Stärken und wissen sie zu nutzen, sie kennen auch ihre Schwächen und
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