Abschied von Eden
erzählt?«
»Warum sollte ich?« giftete Patty zurück. »Ich hatte doch das andere Kind nie gesehen. War mir gar nicht sicher, ob sie’s war. Ich wollte sie überhaupt nicht sehen.«
»Aber Sie wußten es, als ich Ihnen das Foto zeigte.«
»Sie hatte die Augen von meinem Baby. Die Augen von diesem Scheißkerl.« Sie starrte Decker an. Haß strömte ihr aus allen Poren. »Und jetzt kommen Sie hierher und wühlen alles wieder auf.« Sie fing zu weinen an. »Lassen mich alles noch mal durchmachen. Wenn Sie doch wissen, wer das Kind ist … warum, zum Teufel, sind Sie dann noch mal gekommen? Um mich zu quälen?«
»Linda Darcy ist tot«, sagte Decker.
Das riß sie aus ihrem Selbstmitleid heraus. »Tot?« Patty ließ sich auf die Couch fallen. Eine Weile saß sie schweigend dort, dann sagte sie: »Mein Gott, Sie ahnen ja nicht, wie oft ich mir gewünscht hab’, sie wär’ tot. Jetzt ist mir ganz komisch.«
»Sie haben nichts getan, um sich diesen Wunsch zu erfüllen?« fragte Decker.
»Um Gottes willen, nein«, erklärte Patty nachdrücklich.
Decker schwieg.
»Ich weiß ja überhaupt nichts über diese Linda Darcy, außer daß mein Mann sie gebumst hat. Ich hab’ sie noch nie gesehen, nur mal auf ’nem Bild. Das hatte mein Mann in seiner Brieftasche, bis ich ihn gezwungen hab’, es zu zerreißen.«
»Ich muß mit Ihrem Mann reden.«
»Nein, Sergeant.« Patty Bingham weinte schon wieder. »Nein, Sie irren sich, wenn Sie glauben, Cliff hätte was damit zu tun. Cliff macht zwar Fehler, er ist nicht perfekt. Aber so was würd’ er nie …«
»Was?«
»Einen Mord begehen!« kreischte Patty. »Warum? Wozu? Er hat sie doch geliebt, um Himmels willen! Die Affäre ging vor drei Jahren zu Ende. Sobald er sie geschwängert hatte. Sie hat die Sache beendet. Hat zu ihm gesagt, sie brauche ihn nicht mehr. Cliff hat mir das alles ein halbes Jahr später erzählt. Er hat sich bei mir ausgeweint, können Sie sich das vorstellen? Ich war im sechsten Monat von diesem Dreckskerl schwanger, und der heult mir die Ohren voll, weil diese Hure ihn nicht mehr liebt.« Patty wischte sich die Augen. »Ich mußte mich übergeben und hab’ ihn vollgekotzt.«
»Warum glaubte er, daß es sein Kind war?«
»Keine Ahnung. Muß sie ihm wohl gesagt haben. Ich hab’ immer geglaubt, daß sie vielleicht lügt, bis ich das Foto von dem kleinen Mädchen gesehen hab’. Vom Bauch her wußte ich, wer sie war.«
»Ich muß trotzdem mit Ihrem Mann reden, Mrs. Bingham.«
Patty starrte Decker an. Ihr Gesicht hatte einen seltsamen Ausdruck angenommen. »Machen Sie das ruhig«, sagte sie. »Und wenn Sie einmal dabei sind, richten Sie ihm auch noch was von mir aus. Sagen Sie dem Scheißkerl, ich bin weg. Sagen Sie ihm, ich hätt’ seine Kinder zu seiner Exfrau zurückgeschickt und wär’ wieder bei meiner Mama in Dallas. Sagen Sie dem Schwein, er stünd’ mir bis hier.« Sie zog in Stirnhöhle einen kräftigen Strich durch die Luft. »Ich hab’ mehr als genug mitgemacht. Mir reicht’s!«
In all dem Durcheinander fand Decker einen Zettel und einen Kugelschreiber und hielt beides Patty hin. »Warum sagen Sie es ihm nicht selbst.«
Patty strich sich die Haare aus den Augen und nahm Papier und Stift. Dann setzte sie das Baby wieder auf den Boden. »Gute Idee. Das mach’ ich, jetzt sofort!«
»Haben Sie die Telefonnummer von Ihrem Mann in der Firma?« fragte Decker.
»Nehmen Sie sich ’ne Visitenkarte von ihm«, sagte Patty, ohne mit dem Schreiben aufzuhören. »Da auf der Anrichte.«
Decker steckte die Karte ein und sagte: »Ich ruf’ ihn wahrscheinlich vom Büro aus an.«
»Wie Sie wollen …« Patty hielt einen Augenblick inne, dann setzte sie ihr wütendes Gekrakel fort. Als sie am Ende eines Satzes einen Punkt machte, stach sie mit der Kulispitze durch das Papier.
»Wiedersehen«, sagte Decker.
Patty saß bereits an der zweiten Seite. Sie hörte nicht, wie er hinausging.
23
Der Haftbefehl war vom Schweiß ganz feucht geworden. Marge wischte sich die Hände an ihrer Polyester-Baumwoll-Hose ab. Sie saß hinter dem Lenkrad des Plymouth und wartete darauf, daß über Polizeifunk gemeldet wurde, daß alle Positionen eingenommen waren und es losgehen konnte. Charlie Benko saß auf dem Beifahrersitz. Äußerlich wirkte er ganz ruhig, zappelte jedoch die ganze Zeit mit den Beinen wie Jungen im Teenageralter, wenn sie nervös oder geil sind. Benko sah zu ihr hin, hielt aufmunternd einen Daumen in die Luft, und Marge rang sich ein
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