Abschied von Eden
waren sie an der Haustür. Marge klopfte laut. Das Gestapo-Klopfen, wie sie es nannte. Jeder von ihnen stellte sich an eine Seite der Tür. Sie erwarteten zwar nicht, daß geschossen würde, wollten aber auch keine unangenehme Überraschung erleben.
Keine Reaktion.
»Sind Sie sicher, daß er da drin ist?« fragte Benko.
»Ich hab’ ihn selbst reingehen sehen.«
»Er könnte hinten wieder rausgeschlichen sein, wenn Sie nur die Eingangstür beobachtet haben.«
»Das könnte er«, räumte Marge ein. »Aber ich glaub’ es nicht. Höchstwahrscheinlich schläft er tief und fest.« Doch schon nach dem zweiten Klopfen hörte sie, wie drinnen hektische Betriebsamkeit ausbrach.
»Ist ja doch jemand da«, flüsterte Benko.
»Yeah?« meldete sich eine tiefe rauhe Stimme hinter der Tür.
»Polizei, Mr. Duralt!« rief Marge. »Machen Sie auf!«
Keine Antwort, dann polternde Schritte.
»Gott, er macht irgend’nen Scheiß!« fluchte Marge.
»Schlagen wir sie ein!« sagte Benko und machte sich zum Angriff bereit.
»Einen Augenblick!« Marge hielt seinen Arm fest und gab über Funk die Lage durch. Dann nahm sie eine Kreditkarte und erwischte das Schloß. Die Tür ging auf. Benko starrte sie an.
»Manchmal geht’s auch mit einfachen Methoden«, sagte Marge. »Geben Sie mir Deckung.«
Das Wohnzimmer war dunkel und still.
»Wo ist der Scheißkerl hin?« fragte Benko.
»Wir müssen zu den Kindern.« Marge forderte über Funk Verstärkung von vorn an, dann sagte sie. »Ich geh’ jetzt durch den Flur, Charlie. Sie bleiben dich hinter mir.«
»Alles klar.«
Im Flur war es stockdunkel. Marge tastete nach einem Lichtschalter, fand ihn und knipste ihn an. Fünf geschlossene Türen gingen von dem Flur ab.
Sie öffnete die erste und machte das Licht an. Tausend Marges starrten sie an. Ein verspiegelter Raum. In der Mitte standen ein Nautilus-Gerät, ein Gestell mit diversen Hanteln und ein Heimtrainer. Sie schob die Tür eines verspiegelten Schranks auf. Er war vollgestopft mit Sportsachen – Basketbälle, Handbälle, Tennisschläger, Angelruten, Baseballhandschuhe und Schlaghölzer.
Kein Duralt!
Sie schloß die Zimmertür und lauschte mit schräg gehaltenem Kopf zur nächsten Tür hinüber.
Ein kleines Badezimmer, das von einem Nachtlicht beleuchtet wurde. Sie drückte den Hauptschalter. Die schattenhaften Grautöne entpuppten sich als abwaschbare blaue Tapete. Rauschend setzte sich ein Ventilator in Bewegung. Leer.
Auf zur nächsten Tür. Als sie diesmal das Licht anmachte, sah sie auf einer Doppelbettmatratze, die auf nackten Sprungfedern lag, einen Buckel in der Bettdecke. Marge sah Benko an, dann ging sie zum Bett und zog die Decke weg. Die Frau trug ein kurzes Nachthemd und hatte sich in Fötusposition zusammengekauert. Sie hatte überall Gänsehaut. Ihre dunklen Haare waren zusammengebunden. Marge erkannte Bonnie Duralt, die Frau, der sie die Pampersgeschichte vorgespielt hatte.
»Wo ist er, Mrs. Duralt?« sagte Marge.
»Er ist nicht da.«
»Wo ist er denn hin?« schnauzte Marge zurück.
»Weiß ich nicht.«
»Na, kommen Sie schon, Lady, machen Sie uns doch nichts vor!« brüllte Benko sie an.
»Ich schwöre es!« versicherte Bonnie. »Er hat bloß gesagt, ich muß hier raus, Bonnie.«
Marge spürte, wie sich ihr Magen umdrehte. »Hat er eine Waffe bei sich?«
Zum ersten Mal blickte Bonnie auf. »Sie sind doch die Pampers- Frau!«
»Ja doch, ich bin Police Detective, also beantworten Sie meine Fragen!« sagte Marge in befehlendem Tonfall. »Besitzt Ihr Mann eine Waffe, Bonnie?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hören Sie mit dem Unsinn auf, Bonnie«, sagte Marge. »Noch mal von vorn. Besitzt Ihr Mann eine Waffe?«
Bonnie hatte angefangen zu zittern. »Er hat eine unterm Kopfkissen.«
Benko schob eine Hand unter das Kissen. »Da ist nichts.«
Bonnie kauerte sich noch enger zusammen. Tränen liefen ihr die Wangen herunter. Zwei uniformierte Beamte betraten das Schlafzimmer – der eine war ein Hispanic namens Ramirez, der andere ein Blonder namens Sutton.
»Werden alle Türen bewacht?« wollte Marge von den beiden wissen.
»Yessir, Ma’am, Detective«, antwortete Sutton.
»Dann muß der Verdächtige irgendwo im Haus sein. Gehn Sie davon aus, daß er bewaffnet und gefährlich ist.« Dann wandte Marge sich wieder Bonnie zu. »Stehen Sie auf. Wir holen jetzt die Kinder.«
»Das Baby gehört mir!« schrie sie auf.
»Ich weiß«, sagte Marge. »Aber wir müssen Sie und die Kinder hier rausbringen –
Weitere Kostenlose Bücher