Abschied von Eden
und zwar sicher.«
Bonnie plapperte weiter. »Das ist doch seine Tochter.«
»Nicht mehr, Lady«, schnauzte Benko sie an. Er zog Bonnie am Arm hoch. »Kommen Sie mit.«
Marge warf ihm einen Mach-mal-halblang-Blick zu, dann folgte sie Bonnie ins Kinderzimmer. Es war mit einer Tapete voller Bauklötze und Teddybären tapeziert – offenbar selbst geklebt, da die Bahnen nicht nach dem Muster ausgerichtet waren. An den Fenstern hingen Gardinen aus rosa Baumwollstoff. An einer Wand standen zwei Kinderbetten, dazwischen ein weißer Nachttisch mit einem Humpty-Dumpty-Nachtlicht. Marge warf einen Blick in die Bettchen. Die Kinder schliefen ganz ruhig. Zumindest war Miller so vernünftig, sie aus der Sache herauszuhalten – jedenfalls bis jetzt. Das Baby lag auf dem Bauch, die Nase an der Matratze platt gedrückt. Heather lag auf dem Rücken. Das vom Schlaf gerötete Gesicht war von weichen Haarsträhnchen eingerahmt.
Aus der Nähe sah sie ganz anders aus als Katie Darcy. Sie hatte feinere Gesichtszüge und war ein bißchen älter. Marge forderte Bonnie auf, das Baby zu nehmen, hob Heather selbst hoch und gab sie Sutton. Das Kind öffnete die Augen, sah den Polizisten an, legte den Kopf auf seine Schulter und schlief wieder ein. Das Baby schlief auf dem Arm seiner Mutter ruhig weiter.
»Ramirez, Sie, Benko und ich werden die anderen decken, bis alle aus dem Haus und im Auto sind«, sagte Marge. »Der Verdächtige könnte von irgendwo zusehen, und wir wollen nicht, daß es zu einer Schießerei kommt, solange wir die Kinder bei uns haben.«
»Alles klar«, sagte Ramirez.
»Seien Sie vorsichtig«, wiederholte Marge. »Die Festnahme des Verdächtigen ist nicht so wichtig wie die Kinder.« Dann sagte sie zu Bonnie: »Machen Sie bloß keinen Scheiß mit dem Baby auf dem Arm, Bonnie. Sie haben schon genug Probleme am Hals.«
Bonnie antwortete zwar nicht, doch der verängstigte Blick in ihren Augen sagte Marge, daß sie mitmachen würde. Ramirez ging als erster durch den Flur und deckte ihn vom vorderen Ende. Marge und Benko standen im Eingang des Kinderzimmers und deckten den Flur von hinten.
Sobald man mit den Kindern den Flur passiert hatte, wurden sie rasch aus dem Haus und in die wartenden Streifenwagen gebracht. Marge seufzte erleichtert auf, als die Kinder aus dem Weg waren, und dachte über den nächsten Schritt nach.
Miller war nicht geschnappt worden, als er das Haus verließ. Er mußte sich irgendwo im Gebäude verstecken.
Irgendwo verstecken.
Irgendwo.
Mit einer Waffe.
Marge wies Benko an, die übrigen Räume, die vom Flur abgingen, zu untersuchen, Ramirez sollte Wohn- und Eßzimmer übernehmen, und sie würde sich in der Küche und auf der Veranda umsehen.
Die Küche war kompakt und vollgestellt. Die Arbeitsflächen waren mit billigen Terrakottafliesen gekachelt, die Fugen rissig und verdreckt. Ein geschlossenes Glas Erdnußbutter, ein schmutziges Messer und eine Krümelspur zierten die linke Seite der Anrichte, rechts standen drei leere Bierflaschen. Im Spülbecken lag das schmutzige Geschirr in einer fünfzehn Zentimeter hohen milchigen Brühe. Über dem Spülbecken war ein Fenster. Auf dem Fensterbrett standen ein halbes Dutzend welker Pflanzen. Hinter ihr waren Backofen, Mikrowelle und Herd. Marge öffnete alle Schränke, die Tür zur Speisekammer und – um ganz sicherzugehen – die Backofentür.
Leer.
Sie ging in den Waschraum, der direkt von der Küche abging. Waschmaschine und Trockner waren leer. Sie trat zur Seite und öffnete den Besenschrank.
Nichts.
Aber nur für einen Augenblick.
Im Prinzip sah sie, wie das Bügeleisen auf ihren Kopf zuraste. Doch es geschah alles so schnell, daß sie nichts weiter tun konnte, als die Wucht des Schlages ein wenig abzumildern und zu fluchen. Sie spürte, wie es mehrere Male gegen ihre Stirn krachte und wie ihr schwindlig wurde. Eine Flut von Blut strömte ihr in die Augen.
»Scheißkerl!« schrie sie. Sie sah ihn durch die Hintertür rennen und hörte einen Schuß. Sie wankte zu der Tür, spürte die kühle Luft in ihrer Nase, wußte aber, daß sie es nicht schaffen würde. Kurz darauf half Benko ihr, sich hinzusetzen.
»Um Gottes willen!« brüllte er. »Bleiben Sie ganz ruhig, Detective.«
»Haben die ihn erwischt?« schrie Marge.
»Er ist entkommen«, erklärte ihr ein Beamter. »Er hat geschossen, Detective. Sie sind hinter ihm her …«
»Schnappen Sie ihn, Charlie!« Marge schluchzte und hielt sich die Hände an den Kopf. Blut sickerte durch
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