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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Viertelstunde später hatte Sue Beth einen Krampf in der Hand und wollte gehen. Decker hatte sich gerade darauf eingestellt, Earls »Geständnis« aufzunehmen, da öffnete Hollander die Tür.
    »Der Anwalt ist da, Sergeant.«
    Decker seufzte innerlich erleichtert auf und versicherte Sue Beth, daß sie jetzt jeden Moment soweit wären.
    Er verließ den Raum und winkte Louis Nixon, einem alten Hasen, zu. Er arbeitete schon seit zwanzig Jahren als Pflichtverteidiger, war aber immer noch ein sanftmütiger Typ. Nixon war um die Fünfzig, hatte kaffeebraune Haut und trug eine Brille. In seinen dunklen Augen lag ständig ein Funkeln, und immer hatte er ein breites Grinsen für einen schmutzigen Witz übrig. Mit den Jahren hatten krause Silberfäden seinen kurzen Afroschnitt durchzogen.
    »Wenn ich nicht gebraucht werde, Leute, dann geh’ ich jetzt mal ins Krankenhaus«, sagte Hollander.
    »Erzähl mir, wie’s ihr geht«, sagte Decker.
    »Mach’ ich.«
    Nachdem Hollander weg war, fragte Nixon: »Was gibt’s, Pete?«
    »Auf der Suche nach den Eltern von einem herumirrenden Kind, bin ich auf einen vierfachen Mord gestoßen. Dem Kind ist Gott sei Dank nichts passiert. Die Schwester und der geistig behinderte Bruder von zwei der Opfer sind da drinnen. Sieht so aus, als wollte der Bruder ein Geständnis ablegen.«
    »Was denn für ein Geständnis?«
    »Ich vermute, er will gestehen, einen oder mehrere dieser Morde begangen zu haben. Er will aber keinen Anwalt. Genauer gesagt, seine Schwester will keinen Anwalt. Und der Bruder macht alles, was seine Schwester ihm sagt.«
    »Wie alt ist der Bruder?«
    »Fünfundzwanzig.«
    »Wer ist sein gesetzlicher Vormund?«
    Decker grinste in sich hinein. Ein gesetzlicher Vormund war etwas, womit solche Leute nichts zu tun haben wollten. Nicht daß Farmer völlig unbedarft waren, was die Gepflogenheiten in der Stadt anging. Sie konnten wahre Zauberkünstler sein, wenn es darum ging, mit der Bank einen günstigen Kredit zum Ausbau oder für die Modernisierung ihres Betriebes auszuhandeln. Aber man sollte bloß mal versuchen, einen von ihnen dazu zu überreden, ein Testament zu machen. Decker hörte die Stimme seines Vaters in seinen Ohren klingen.
    Wozu brauch’ ich ein Testament, Pete? Mir ist egal, was passiert, wenn der liebe Gott es für richtig hält, mich abtreten zu lassen.
    Decker hatte versucht, ihn zur Vernunft zu bringen.
    Die Sache ginge dann vor ein Nachlaßgericht, Dad. Dein ganzes Vermögen würde eingefroren, und Mom wär’ pleite, bis die Gelder freigegeben würden. Natürlich würden Randy und ich uns um sie kümmern, aber du weißt doch, wie sehr sie auf ihre Eigenständigkeit bedacht ist. Mit einem Testament würde dieser ganze Ärger vermieden.
    Doch mit Logik hatte man bei Lyle Decker keine Chance.
    Decker sah Nixon an und sagte: »Ich glaub’ nicht, daß die jemals einen offiziellen Vormund für den Jungen bestimmt haben. Die Eltern des Jungen – oder eher jungen Mannes – leben zwar noch, doch die Schwester sagt, daß sie seit sechs Jahren für ihn verantwortlich ist.«
    »Dann werd’ ich jetzt mal mit meinen Klienten reden«, sagte Nixon.
    »Ich fürchte, die werden nicht allzu erfreut sein, Sie zu sehen. Ich hab’ Sie ihnen mehr oder weniger aufgezwungen. Ich will das Geständnis, aber ich will auch, daß es vorschriftsmäßig gemacht wird.«
    »Lassen Sie mich eine Minute mit ihnen allein«, sagte Nixon. Als er nach fünf Minuten aus dem Vernehmungszimmer kam, war sein Gesicht ausdruckslos, und seine Augen hatten ihren Glanz verloren.
    »Alles in Ordnung, Lou?« fragte Decker.
    »Sie hatten recht«, sagte Nixon leise. »Die wollen keinen Anwalt. Und schon gar nicht einen Nigger-Anwalt.«
    »O Scheiße, das hatte ich ganz vergessen! Ich hab’ überhaupt nicht darüber nachgedacht, daß Sie schwarz sind. Diese Leute sind Hinterwäldler. Die lehnen alles ab, was nicht weiß und baptistisch ist. Das tut mir leid, Lou. Tut mir wirklich leid.«
    »Schon gut«, sagte Lou ganz ruhig. »So was kommt vor.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Lassen Sie mich trotzdem dabei sein. Ich werde die Leute beraten, auch wenn sie es nicht wollen. Wenn sie sich dann immer noch den Strick um den Hals legen wollen … nun ja, man kann die Erde auch nicht daran hindern, sich zu drehen, Pete.«
     
    Es dauerte lange, Earl zum Reden zu bringen. Er schlürfte seinen Saft und sah seine Schwester um Zustimmung heischend an. Schließlich begann er, mit gesenktem Kopf mit monotoner Stimme zu

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