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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Jungen.
    »Du wiederholst ja nur, was Luke gesagt hat. Was hat er für schlimme Sachen zu Linda gesagt?«
    »Hure, Scheißkerl, Zuhälter und das f-Wort.«
    Decker zögerte mehrere Sekunden, dann sagte er: »Luke hat zu Linda Hure gesagt?«
    »Und Zuhälter und das f-Wort.«
    »Luke hat zu Linda Zuhälter gesagt?«
    »Ja.«
    »Weißt du, was ein Zuhälter ist, Earl?«
    »Nein.«
    »Weißt du, was eine Hure ist?«
    »Ein schlimmes Mädchen«, sagte Earl.
    »Und Luke hat Linda eine Hure genannt?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Und was hat Linda zu Luke gesagt, nachdem er sie Hure genannt hat?«
    »Sie hat geschrien.«
    »Was geschrien?«
    »Sie hat das f-Wort gesagt.«
    »Hört sich so an, als ob Linda wütend geworden wär’, weil Luke sie eine Hure genannt hat«, sagte Decker. Tränen traten Earl in die Augen. »Ja. Sie fing an zu weinen.«
    »Linda fing an zu weinen?«
    »Ja.« Earl weinte jetzt ebenfalls.
    »War das schlimm für dich, Earl?«
    »Ja.«
    »Was bedeutete Linda für dich?«
    »Das ist dummes Zeug!« sagte Sue Beth. Decker brachte sie mit einem drohenden Blick zum Schweigen und wiederholte die Frage.
    »Ich hatte Linda gern.«
    »Du hattest sie gern.«
    »Ja.«
    »Deshalb mochtest du es nicht, daß sie sich mit Luke stritt?«
    »Nein.«
    »Und was hast du getan, als sie sich gestritten haben?«
    »Ich hab’ ihn erschossen.«
    Decker zögerte einen Augenblick. »Wen erschossen?«
    »Luke.«
    »Du hast deinen Bruder Luke erschossen?«
    »Ja. Er hat Linda zum Weinen gebracht.«
    »Du hast Luke erschossen«, wiederholte Decker.
    »Ja.«
    »Und du hast auch Linda erschossen, Earl?«
    Sue Beth wollte etwas sagen, aber Decker hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Earl kniff vor lauter Konzentration die Augenbrauen zusammen. »Ich hab’ sie auch erschossen. Ich hab’ sie alle erschossen.«
    »Bist du sicher, daß du Linda erschossen hast?«
    »Ich hab’ sie alle erschossen.«
    »Wen alles?« fragte Decker.
    »Linda, Luke, Carla und Mr. Mason.«
    »Du hast sie alle erschossen?«
    »Ja. Mit meiner Schrotflinte.«
    Zum ersten Mal wird die Waffe erwähnt.
    »Okay, Earl«, sagte Decker. »Du machst das gut. Möchtest du einen Augenblick Pause machen und noch etwas Saft trinken?«
    »Ja.«
    »Bitte.«
    Earl stürzte sein zweites Glas Orangensaft hinunter. Decker bot ihm noch eins an.
    »Ich hab’ Hunger«, sagte Earl.
    »Ich mach’ dir was zu essen, wenn wir zu Hause sind«, sagte Sue Beth.
    Er wird nirgendwo hingehen, dachte Decker, schon gar nicht nach Hause. Verlesung der Anklageschrift, Anhörung zur Festlegung der Kaution. Ganz zu schweigen von den ganzen Voruntersuchungen vor dem eigentlichen Prozeß und der Urteilsverkündung. Wenn die ganze Sache überhaupt hieb- und stichfest war. Aufgrund von Earls Geisteszustand war alles, was er sagte, suspekt. Wochen konnten vergehen, bis seine Zurechnungsfähigkeit geklärt war. Sue Beth hatte keine Ahnung, was ihr bevorstand.
    »Earl könnte noch ’ne Weile hierbleiben müssen. Ich lasse ihm einen Schokoriegel holen, wenn Sie damit einverstanden sind.«
    »Bitte«, flehte Earl seine Schwester an.
    »In Ordnung«, sagte Sue Beth. »Aber sehn Sie zu, daß wir’s bald hinter uns bringen.«
    Decker ließ jemanden kommen, der was zu essen besorgen sollte. Nachdem Earl vier Schokoriegel, drei Tüten Chips und eine Tüte Milch vertilgt hatte, nahm Decker sein Verhör wieder auf.
    »Earl? Du hast gesagt, du hättest sie alle mit deiner Schrotflinte umgebracht?«
    »Ja.«
    »Wo ist die Flinte?«
    Earl rülpste. »Tschuldigung.«
    »Macht nichts«, sagte Decker. »Wo ist die Schrotflinte, mit der du alle umgebracht hast?«
    »Weg.«
    »Wie weg?« fragte Decker. »Wo ist die Flinte hin?«
    »Ich hatt’ sie«, sagte Earl. »Dann hab’ ich sie verloren.«
    Decker bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Du hast die Flinte verloren?«
    »Ja.«
    »Eine Schrotflinte ist aber ziemlich groß zum Verlieren.«
    »Ja.«
    »Hast du die Schrotflinte wirklich verloren, Earl?«
    »Ja.«
    Decker rieb sich mit den Händen übers Gesicht, dann sah er Earl an. Der Mann/Junge wirkte verstört, als ob er Angst hätte, daß er was falsch gemacht hatte. Dann wurde Decker klar, daß Earl den zweifelnden Unterton in seiner Stimme mitbekommen hatte. Earl war sich deutlich bewußt, wie Erwachsene auf ihn reagierten, und es machte ihm offenbar sehr zu schaffen, nur ja keinen älteren Menschen zu verärgern.
    Decker lächelte, nahm die Hand des kleinen Mannes und sagte: »Wie

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