Abschied von Eden
mir zu reden.«
»Das ist richtig.«
»Detective Hollander hat mir außerdem mitgeteilt, daß man Sie über Ihre Rechte informiert hat, daß Sie sie verstanden haben und darauf verzichten wollen. Ihnen ist bewußt, daß Sie eine dementsprechende Erklärung unterschrieben haben?«
»Ja.«
»Einen Anwalt haben Sie ebenfalls abgelehnt.«
»Ja.«
»Sue Beth«, sagte Decker, »ich habe einen Anwalt angefordert, der bei Ihrer Vernehmung dabei …«
»Wir brauchen keinen Anwalt«, sagte Sue Beth. »Da war sich mein Pappy ganz sicher. Keine Anwälte. Earl soll nur der Polizei sagen, was passiert ist, damit wir’s endlich hinter uns haben.«
»Das ist leider nicht so einfach«, sagte Decker.
»Warum denn nicht?« Sue Beth wirkte nervös.
Decker wählte seine Worte mit Bedacht. »Earl kann nicht auf seine Rechte verzichten wie Sie oder ich, weil er vor dem Gesetz nicht voll verantwortlich ist.«
»Ich bin für ihn verantwortlich«, sagte Sue Beth. »Und das schon seit sechs Jahren, seit es meine Mutter nicht mehr schafft, für ihn zu sorgen.«
»Sie mögen zwar für ihn sorgen, aber das heißt nicht unbedingt, daß Sie im juristischen Sinne für ihn verantwortlich sind.«
»Verdammt noch mal!« entfuhr es Sue Beth. »Ich will doch nur meine Christenpflicht erfüllen, und Earl will das auch. Mein kleiner Bruder möchte sich seine Sünden von der Seele reden, und Sie wollen ihn nicht mal anhören.«
»Darum geht es doch nicht …«
»Was ist denn bloß mit dieser verdammten Welt los?« ereiferte sich Sue Beth. Ihre dezent geschminkten Wangen waren knallrot geworden. »Ich dachte, Polizisten wären dazu da, sich Geständnisse anzuhören.«
Polizisten und Priester, dachte Decker. »Jeden Moment müßte ein Anwalt hier sein. Er wird uns beraten …«
»Was heißt jeden Moment? Ich hab’ keine Lust, ewig hier zu warten.«
Decker bemerkte den störrischen Ausdruck in ihren Augen. Wenn sie durch Taten nichts erreichen konnte, versuchte sie es offenbar mit Sturheit. »Es kann nicht mehr lange dauern, Sue Beth. Haben Sie doch bitte noch einen Augenblick Geduld. Möchten Sie vielleicht in der Zwischenzeit etwas zu trinken, eine Tasse Kaffee oder Tee oder einen Saft …«
»Ich möchte Saft«, sagte Earl.
»Sei nicht so ungezogen, Earl«, sagte Sue Beth. »Frag anständig.«
Earl senkte den Kopf und sagte: »Kann ich bitte einen Saft haben?«
»Sieh ihn an, wenn du mit ihm sprichst«, sagte Sue Beth.
Earl sah Decker an und wiederholte seine Bitte. Decker sagte, natürlich könnte er einen Saft haben, und mußte sich zurückhalten, um nicht dem erwachsenen jungen Mann die Haare zu zerzausen. Als Decker aus dem Vernehmungszimmer kam, steuerte Hollander auf ihn zu.
»Ich hab’ einen Pflichtverteidiger bestellt«, sagte er. »Müßte in der nächsten halben Stunde hier sein.«
»Ging das nicht schneller?«
»Eine halbe Stunde ist normal, Peter.«
»Yeah, ich weiß. Ich will bloß nicht, daß sie weggehen.«
»Dann nimm das Geständnis auf«, sagte Hollander.
»Und riskier’, daß das Ding für null und nichtig erklärt wird, weil der Junge nicht wußte, was er unterschrieb?«
»Aber sie wußte doch wohl, was sie da unterschrieb.«
»Aber wir wissen nicht, ob sie auch juristisch verantwortlich für den Jungen ist.«
»Das Geständnis ist wahrscheinlich sowieso Müll. Nimm, was du kriegen kannst.«
»Das werd’ ich im Notfall auch tun«, sagte Decker. »Aber wenn ich es koscher machen kann, um so besser. Wenn in der Geschichte von dem Jungen auch nur ein Körnchen Wahrheit steckt, dann will ich nicht, daß irgendein Arschloch von Richter alles wegen einer Formsache für ungültig erklärt.«
»Das solltest du doch wohl zu verhindern wissen.«
»Hm, wenn ich erst mal anfange zu glauben, ich könnt’ mir alles erlauben, vermassel ich’s bestimmt.«
Hollander warf einen Blick durch das Fenster auf Sue Beth. »Die Dame wird allmählich unruhig. Du solltest irgendwas tun, damit sie nicht ganz die Lust verliert.«
»Wie wär’s mit deiner Steptanz-Nummer?«
Hollander lachte.
»Gib Sue Beth noch ein paar Formulare zum Ausfüllen«, sagte Decker. »Damit schinden wir noch was Zeit.«
»Was denn für Formulare? Sie hat schon alles Notwendige ausgefüllt.«
»Was weiß ich. Gib ihr unsere Formulare über Krankheiten in der Familie … und Erfassungsbögen für Autos in dreifacher Ausfertigung. Irgendwas, um sie zu beschäftigen. Ich besorg’ den beiden jetzt erst mal was zu trinken.«
»Okay.«
Eine
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