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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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Geste, die ich kenne. Ein O mit Daumen und Zeigefinger, in das ich mehrmals hintereinander den Zeigefinger der anderen Hand hineinsteche.
    Ashley reißt die Augen auf. Nikita zuckt mit den Achseln und tut so, als würde sie nicht bemerken, wie ich meinen Schmerz hinter einer Maske aus Schroffheit zu verbergen suche. Stattdessen geht sie in den Laden zurück, bezahlt meine Sachen und reicht mir wortlos, aber mit einem mitfühlenden Seufzer die Tüte.
    Die Sonne blendet mich durch das dünne Gewebe der Gardine. Ich will nicht aufwachen, will nicht aufstehen, will mich nicht mir selbst stellen. Nikita sitzt in ihren hellblauen Morgenmantel gewickelt vor einem Teller Cornflakes und betrachtet mich. Mit ihrem abgeschminkten, gereinigten Gesicht sieht sie gleichzeitig einfältiger und klüger aus als sonst.
    »Maja?«, sagt sie leise.
    Ich wimmere ins Kissen.
    »Möchtest du eine Kopfschmerztablette?«, fragt Nikita.
    »Nein, das ist es nicht«, jammere ich und drehe mich mit angezogenen Knien auf die Seite.
    »Ich wusste nichts davon. Also, ich habe natürlich … etwas bemerkt. Zwischen dir und Jack. Aber ich wusste nicht, dass du so viel für ihn empfindest.«
    Ich wälze mich auf den Rücken und boxe die warme Decke beiseite.
    »Verdammte Typen«, sage ich und lache verbittert. »Ich kann so was nicht gut. Ich weiß nicht, wie man es anstellt. Es tut so verdammt weh. Muss das so sein?«
    »Hm«, sagt Nikita nachdenklich. »Das kann schon mal vorkommen. Aber es ist eigentlich recht selten.«
    Ohne zu zielen, wirft sie eine Rolle Küchenkrepp quer durchs Zimmer. Ich hebe einen Arm und fange sie auf, schnäuze mich laut und ausgiebig und lasse die zusammengeknüllten Papierfetzen liegen, wo sie gerade hinfallen.
    »Ich will Süßigkeiten, Eis und ein paar Illustrierte«, sage ich schniefend. »Und ich will den ganzen Tag im Bett bleiben.«
    »Meine Güte, was für ein Klischee«, sagt Nikita und schlürft den letzten Schluck Milch aus dem Teller, als wäre er eine Tasse. »Aber okay. Was sein muss, muss sein.«
    Wir verbringen fast eine ganze Stunde, ohne über das Vorgefallene zu sprechen. Nikita hat sich aus Solidarität nachlässig gekleidet und liegt, von Bonbonpapierchen umgeben, auf der grünen Chaiselongue.
    »Ich habe mir irgendwie eingebildet, dass er sich für mich interessiert, ich Idiotin«, sage ich tonlos. »Das war es ja, was mein Interesse an ihm geweckt hat.«
    Ich schiebe mir ein Stück Cadbury’s Vollmilchschokolade in den Mund. Sie schmeckt nach nichts. Ich esse noch ein Stück.
    »Er ist ein bisschen komisch, das habe ich ja schon immer gesagt«, meint Nikita und gähnt so sehr, dass ich ihre Backenzähne sehen kann.
    »Schon, aber vielleicht ist es gerade das, was ich an ihm so mag …«, seufze ich und werde im nächsten Augenblick von einem scharrenden Geräusch an der Tür unterbrochen.
    Ashley steht draußen. Er ist bleich, seine Augen sind klein, aber im Großen und Ganzen ist er in recht guter Verfassung. Im Unterschied zu uns hat er sich zumindest die Haare gewaschen.
    »Wartet«, sagt er. »Ich habe Chips und Cola auf dem Zimmer. Ich bin gleich zurück.«
    »Ich glaube, du solltest mit Jack reden«, sagt Ash und rülpst rücksichtsvoll hinter vorgehaltener Hand. Er sitzt mit seinem Colaglas unter meiner Decke und sieht aus wie ein Elfjähriger, denn er hat vergessen, sich irgendein Stylingprodukt in sein frisch gewaschenes Haar zu schmieren. Es steht in alle Richtungen ab.
    »Hör schon auf«, fauche ich ihn an. »Von wegen reden, da gibt’s nichts zu bereden, es ist ja wohl sonnenklar, worauf es ihm ankommt.«
    »Aber … er mag dich wirklich«, beharrt Ash. »Ich weiß das. Für so was habe ich ein Gespür.«
    »Amen«, sagt Nikita und kippt sich den letzten Rest aus der Chipstüte in die hohle Hand.
    »Ach, du bist jetzt plötzlich einer Meinung mit Ash?«, frage ich.
    Sie nickt, während sie mit einem der Bänder ihrer Kapuzenjacke spielt.
    »Was wollt ihr damit eigentlich sagen?«, bohre ich weiter.
    Ashley schaut erst zu Nikita, dann zur Decke, als wolle er fragen, du oder ich? Nikita zieht die Brauen hoch. Ash nimmt Anlauf.
    »Ich weiß nicht, ob du was gemerkt hast, Maja. Aber auf der Party gestern nach der Vernissage gab es nicht nur Alkohol.«
    Ich sitze vollkommen ratlos da. Ash trinkt übertrieben langsam und schaut hin und her.
    »Drogen«, sagt Nikita kraftlos.
    Ekel steigt in mir auf.
    »Drogen?«, frage ich dümmlich. »Habt ihr …«
    »Nein«, sagt Ash. »Wir nicht,

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