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Abschiedskuss

Abschiedskuss

Titel: Abschiedskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Hellberg
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entschuldigen Sie mich jetzt, aber das ist nichts, worüber ich mich weiter äußern kann.«
    Wie um das Gesagte zu unterstreichen, fährt er sich mit der Hand an den Mund. Ich habe fast den Eindruck, als zwänge ihn etwas, die Worte zurückzuhalten.
    »Sie können nicht? Oder Sie wollen nicht?«, frage ich unversöhnlich. Aber innerlich bin ich nicht unversöhnlich. Ich befinde mich in Auflösung. Die äußerliche Härte ist das Einzige, was mich noch wie ein schützendes Korsett zusammenhält.
    »Ich bitte Sie inständig, mich jetzt allein zu lassen«, sagt er, und seine Stimme ist kaum mehr als ein raues Flüstern.
    »Verdammt noch mal«, schreie ich und trete gegen den Besucherstuhl, so dass er umfällt. Das Porträt meiner Mutter schleudere ich wie einen Wurfstern gegen die Tür. In dem billigen Holz bleibt eine deutliche Kerbe zurück. Der Ausbruch scheint mich mehr zu erstaunen als ihn.
    »Ich habe etwas anderes verdient als das hier«, presse ich mit heiserer Stimme hervor und versuche meine rasche Atmung in den Griff zu bekommen. Jetzt bin ich den Tränen nahe. Meine Arme hängen herab. »Ich bin so weit gekommen … Jetzt bitte ich Sie inständig …«
    Er bringt es nicht über sich, mir in die Augen zu schauen, als er antwortet:
    »Ich kann nicht.«
    Während ich die geschwungene Treppe hinabsteige, die in ein Fischrestaurant in einem Kellergewölbe tief unter der Stadt führt, kommt mir eine Erkenntnis. Es handelt sich zwar nur um ein kleines Detail, aber es drängt sich mir rein und klar ins Bewusstsein. Chesterfield hat kein Foto von Arabella über dem Schreibtisch hängen. Kein Bild seiner Tochter.
    Als ich den vereinbarten Treffpunkt erreiche, ist Jack bereits dort. Ich sehe ihn schon von Weitem, und mein Herz beginnt zu rasen. Jack hat dieses Lokal ausgesucht und den Tisch bestellt, und ich habe das Gefühl, dass er etwas Wichtiges zu sagen hat. Das liegt in der Luft.
    Er sitzt an einem der hinteren kleinen Tische, vornübergebeugt und voller Energie. Sein eigentlich zu langes Haar ist frisch gewaschen und fällt ihm in dunklen Locken vor die Augen. Er trägt ein neues Hemd. Die Ärmel hat er hochgekrempelt und am Hals einen Knopf zu viel geöffnet. Mir wird ganz schwindelig, wenn ich ihn nur anschaue. Mein Innerstes gerät in Aufruhr. Der Weg zu ihm führt mich durch einen gemauerten Gewölbegang, der so niedrig ist, dass ich den Kopf einziehen muss. Ich beiße mir auf die Unterlippe und fahre mir hilflos mit den Fingern durchs Haar. Ich wünschte, ich wäre sorgfältiger gekleidet.
    Ein Kellner nimmt mit dem Rücken zu mir die Bestellung entgegen. Ich sehe, wie Jack den Mann anlächelt und ihm dankt. Seine Katzenaugen werden ganz schmal und funkeln.
    Der Gewölbegang mündet im eigentlichen Restaurant. Dort sind die Decken etwas höher, aber nicht sehr viel. Ich habe das Gefühl, dass wir uns tief unter der Erde in einer Geheimkammer befinden. Sonst fällt mir an der Einrichtung nichts weiter auf – ein besseres Lokal: schwarzer Marmor und fünfarmige Leuchter mit Kerzen. Schwankende Schatten an den Mauerwänden. Funkelnde Krebse und Flaschen, die aus aufgehäuftem Eis herausragen.
    Alles wirkt sehr edel, aber eigentlich nehme ich kaum Details wahr, nur ein vielfältiges Glitzern rings um mich herum. Einzig Jack tritt deutlich hervor.
    Kaum hat er mich erblickt, erhebt er sich und wartet gespannt. Als wir an dem kleinen Tisch einander gegenüber Platz nehmen, ergreift er meine Hand und hält sie an seine Wange, beugt sich vor, schließt die Augen und schnuppert an der Innenseite meines Handgelenks.
    »Maiglöckchen?«, flüstert er.
    »Vielleicht, ich weiß nicht«, sage ich, und das ist die Wahrheit. Ich habe das Gefühl, seine Lippen glühen. Wäre nicht der Kellner, würde ich meinen Pullover ausziehen und Jacks Kopf an mich ziehen, mich von ihm küssen lassen, bis ich vollkommen verkohlt bin.
    »Ich habe noch mehr verkauft«, sagt er, und Glück und Stolz strahlen aus seinen Augen. »Viel mehr. Ich habe gerade zweitausend Pfund auf das Konto meiner Mutter überwiesen.«
    Es ist so wunderbar, dass ich aufstehen muss, um ihn zu umarmen. Ich rufe verzückt Hurra und drücke ihm ein Küsschen nach dem andern auf die Wange.
    »Ein Journalist aus London will einen Artikel über mich schreiben. Und dann ist da noch etwas. Es wird die Chance meines Lebens, Maja, die Chance meines Lebens.«
    Das Lächeln scheint ihm für immer ins Gesicht geschrieben zu sein, es wirkt beinahe euphorisch. Ich will mein

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