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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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Sie verteilen sich auf zwei Tische im Hof, schwatzend, kichernd, lachend.
    »Was gibt’s denn da draußen zu sehen?«, fragt Diego.
    »Och, nichts«, sage ich betont gleichgültig und lasse mich zurück aufs Bett fallen. »Nur ein paar Französinnen, die sich gegenseitig ihre Bikinis vorführen.«
    So schnell ist mit Sicherheit noch nie jemand aus einem Etagenbett gesprungen. Diego sprintet zu mir herüber, schwingt sich auf mein Bett und drängt sich ans Fenster. Ein kurzer Blick genügt. Er boxt mir hart auf den Arm.
    »Mach so was nie wieder!«, knurrt er. »Wer Französinnen im Bikini verspricht, obwohl sie viel mehr anhaben, spielt mit seinem Leben, kapiert?«
    Er hüpft vom Bett herunter und klatscht dreimal laut in die Hände.
    »Hallo, ihr Penner! Aufgewacht! Ándale! Ándale! Vámonos! Arriba! Da draußen warten jede Menge süße Señoritas auf uns!«
    »Oh, Mann«, stöhnt Seba schläfrig. »Und deswegen machst du hier so einen Radau?«
    »Ja, was ist denn jetzt?«, quengelt Diego. »Kommt ihr mit nach draußen oder soll ich die alle allein klarmachen?«
    »Das könnte dir so passen«, sagt Lars und erhebt sich aus dem Bett. »Ich will auch eine. Wenn es schon nichts zu Saufen gibt.«
    Einer nach dem anderen stehen wir auf. Nicht, dass ich vorhätte, mir auch eine Französin aufzureißen, absolut nicht. Was soll das denn bringen? Am Ende verliebe ich mich noch in sie und dann fährt sie nach Hause und wir sehen uns nie wieder und mein Herz ist gebrochen und die Abschlussfahrt im Eimer. Nein, das ist es nicht wert, Französin hin oder her.
    Diego streift sich ein frisches T-Shirt über und zupft an seinen Haaren herum. »Wie seh ich aus?«, fragt er.
    »Wie ein notgeiler Spanier mit dicken Eiern«, antwortet Marlon.
    »Perfekt.« Diego grinst. »Auf in die Schlacht.«
    Wir verlassen geschlossen das Zimmer und betreten den Hof, angeführt von einem aufgeplusterten spanischen Gockel, der breitbeinig vor uns her stolziert.
    »Hey, Diego«, zischt Seba ihm zu. »Hast du in die Hosen geschissen, oder warum läufst du so bescheuert?«
    »Klappe!«, zischt Diego zurück. »So laufen eben richtige Männer.«
    »Ja«, kichert Seba. »Wenn sie sich in die Hosen geschissen haben.«
    Wir setzen uns an einen freien Tisch. Diego lässt sich lässig auf der Tischkante nieder, den Französinnen zugewandt. »Seht ihr die Blonde da drüben?«, flüstert er. »Die ist fällig.«
    »Oh, Mann! Die wollte ich!«, beschwert sich Lars.
    »Tja, Pech gehabt. Die ist bereits dem gut aussehenden Spanier verfallen. Aber keine Sorge, es sind genug für alle da.«
    Das stimmt allerdings. Und ein paar davon sind wirklich sehr, sehr süß. Die Braunhaarige da zum Beispiel. Absolut entzückend. Sie lächelt mich an. Oder meint sie Adrian, der neben mir sitzt? Ich lächle etwas unsicher zurück. Sie lächelt immer noch. Das Mädchen neben ihr streckt ihr etwas entgegen. Etwas zu trinken. Kartonverpackung mit Schraubverschluss, gelb, könnte O-Saft sein. Ja, O-Saft, da sind ganz deutlich Orangen drauf abgebildet. Sie setzt den Karton an die Lippen und nimmt drei große Schlucke. Als sie wieder absetzt, läuft ein schmaler roter Streifen aus ihrem Mundwinkel, etwas tropft von ihrem Kinn in ihren Ausschnitt. Sie wischt sich lachend das Kinn mit dem Handrücken ab. Moment mal. Rot? Seit wann ist O-Saft denn rot? Es sei denn, es ist Blutorangensaft. Aber die Orangen auf dem Karton sind definitiv keine Blutorangen. Außerdem ist das ein anderes Rot. Ein tieferes. Richtung weinrot. Genau, das muss es sein!
    »Die Französinnen haben Alk«, sage ich leise in die Runde. »Das ist kein O-Saft, das ist Rotwein.«
    »Was, echt?«, horcht Marlon auf. »Sauerei, und wir haben nichts.«
    »Vielleicht kriegen wir ja raus, wo sie das Zeug herhaben«, bemerkt Seba.
    Marlon nickt. »Unbedingt! Wer kann am besten Französisch?«
    Allgemeines Schulterzucken. Ich bestimmt nicht, eine Vier war letztes Jahr das höchste der Gefühle in Franz.
    »Kein Problem. Ich regle das schon«, grinst Diego und erhebt sich.
    Wir sehen ihm nach, als er zu den Französinnen geht. Hören können wir ihn leider nicht, aber er scheint sowieso mehr mit Händen und Füßen zu reden als mit dem Mund. Sie bieten Diego einen Schluck aus dem vermeintlichen O-Saft-Karton an. Er schnuppert vorsichtig daran, dann nimmt er einen Schluck. Ein nach oben gestreckter Daumen in unsere Richtung. Na also, ich wusste es! Es folgt eine längere Unterhaltung mit Händen und Füßen, bis Diego

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