Absolut WILD 3
Reichtum und Joes verschollener Mutter.
Joe schwieg, weil er völlig mit sich beschäftigt war, ich dachte an meine Probeaufnahme, und Tori war in ihrer eigenen kleinen Welt. Also bestritt Papa das Gespräch unterwegs ganz allein. Wir erfuhren seine Meinung zu den Blumen, die Mr Adlernase Mama geschickt hatte, um Boris für seinen Film zu bekommen – »totaler Blödsinn; war doch klar, dass das nicht funktioniert« –, und zu dem fantastischen blauen Auge, das die Visagistin Mirza Khan geschminkt hatte, weil er als Goran in einer Szene von Rose de Laceys Vater in den Matsch geworfen und verprügelt worden war. Dann erzählte Papa noch, dass der Garderobiere die sauberen Hemden ausgegangen waren, weil Mr Valkyrie die Kampfszene, in der Gorans Hemd am Anfang strahlend weiß und hinterher komplett verdreckt ist, viel zu oft wiederholen ließ.
»Und unsere kurdischen Pferde waren die Stars«, berichtete Papa begeistert. »Mr Valkyrie hat zwar viel von Biro und seinen Cousins verlangt, aber mit dem Ergebnis scheinen alle sehr zufrieden zu sein. Biros Onkel und Mirza Khan haben sich so gut verstanden, dass man meinen könnte, sie fahren demnächst zusammen in Urlaub.«
Er steuerte den Van durch das Tor vor dem Herrenhaus von Harting Park – und ich dachte, ich sehe nicht richtig. Selbst Joe und Tori wurden auf einmal wieder munter und quetschten sich neben mich, um aus dem Fenster auf meiner Seite zu gucken.
»Hat es hier geschneit?«, fragte ich verdutzt, denn die Vorderseite des großen Hauses war komplett in winterliches Weiß gehüllt.
An der Dachrinne und den Lampen links und rechts der Haustür hingen Eiszapfen, vor der Treppe türmten sich Schneeverwehungen, und die Fensterscheiben waren mit Eisblumen verziert. Das ganze Haus sah aus wie auf einer Weihnachtskarte, während ringsherum alles schlammig und grau war.
»Schneemaschine«, erklärte Papa, als er neben dem riesigen Pferdetransporter von Biros Onkel parkte. »Heute wurden einige Weihnachtsszenen gedreht. Ich glaube, deine Mutter ist noch im Zirkuszelt beschäftigt, Joe. Wollen wir mal gucken gehen? Hoffentlich hat mich Mr Valkyrie nicht gebraucht, als ich weg war.«
»Jetzt kann er dich doch nicht mehr feuern, Papa. Er hat die Pferde ja schon gefilmt«, sagte Tori, und wir ließen die verschneite Kulisse hinter uns und gingen über die matschige Wiese zum Zelt.
Joe lief mit großen Schritten voraus. Er hatte es so eilig, dass er praktisch über die eigenen Füße stolperte.
»Meinst du, das Treffen mit seiner Mutter wird gut?«, fragte Tori.
»Ich weiß nicht«, entgegnete ich. »Wir können nur hoffen, dass sie heute ein bisschen mehr Interesse an ihm zeigt als Freitag.«
Es sah nicht so aus, als hätte Pavlov Valkyrie Papa vermisst. Als wir ins Zelt kamen, war er in ein Gespräch mit Onkel Ardalan vertieft und streichelte dabei die zottelige Mähne von einem der kurdischen Pferde. Die Kulissenbauer zogen hier und da die Zeltplanen zurecht, damit sie ganz gerade herunterhingen. Biro war nirgends zu sehen.
»Da ist Mama!«, sagte Joe plötzlich. »Ich rede kurz mit ihr, bevor sie die nächste Szene dreht.«
Mrs Morton plauderte und scherzte mit einem Beleuchter, während der Visagist ihr Kinn mit einer Puderquaste betupfte, die mich an einen Kaninchenschwanz erinnerte. Sie sah fantastisch aus mit ihrem eleganten schwarzen Kleid und ihrer Hochsteckfrisur, die einem Nest voller dicker goldener Schlangen ähnelte. Leider konnten wir nicht sehen, wie sie Joe begrüßte, denn in diesem Moment tauchte Mr Valkyrie neben Papa auf und versperrte uns die Sicht.
»Pferde sind fertig«, sagte er und legte Papa einen Arm um die Schultern. »Jetzt ich drehe noch eine Szene, und dann wir reden über Bär.«
Tori und ich sahen uns an. Gab dieser Mann eigentlich nie auf?
»Ich schicke Blumen an Ihre Frau, und ich bekomme nichts dafür!«, fuhr er verärgert fort. »Sie reden mit ihr! Sie machen Frau Bedeutung meines Films klar!«
»Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse, Mr Valkyrie«, sagte Papa.
»Pfff«, machte der Regisseur. »Sie ist Ihre Frau! Sie wird auf Sie hören.«
Papa kratzte sich den Bart. »Glauben Sie mir, Sir, so funktioniert unsere Beziehung nicht.«
»Die Untertreibung des Jahrhunderts!«, flüsterte Tori mir zu.
Mama und Papa verstanden sich zwar schon wieder viel besser, aber es war immer noch ein ziemlicher Eiertanz, und die Sache war noch lange nicht gegessen.
Als Onkel Ardalan und zwei von Biros Cousins die Pferde vom
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