Absolute Beginners
sollten wir kleinen Jungs ihnen dafür danken, dass sie ihre Pflicht und Schuldigkeit getan haben?«
Dieser Gedanke, so einfach er war, warf ihn aus der Spur. Hinter seinem roten und zerknautschten Gesicht konnte man sein Gehirn richtiggehend rasen und knirschen hören, bis er aufgeregt rief: »Du bist ein Verräter der Arbeiterklasse!«
Da packte ich den Blödmann am Zeigefinger, mit dem er immer noch auf meinen Oberkörper herumstocherte, schob ihn von mir weg und sagte:
»Ich bin kein Verräter der Arbeiterklasse, weil ich nicht zur Arbeiterklasse gehöre und sie daher auch nicht verraten kann.«
»N – hn!«, sagte er wahrhaftig. »Dann gehörst du, wie ich annehme, zur Oberschicht.«
Ich seufzte.
»Und du lehnst die Arbeiterklasse ab, der du entspringst.«
Ich seufzte noch mehr.
»Du armes altes prähistorisches Monster«, rief ich aus. »Ich lehne die Arbeiterklasse nicht ab, und ich gehöre nicht zur Oberschicht, und zwar aus dem einen einfachen Grund, dass mich weder das eine noch das andere auch nur im Geringsten interessiert, mich noch nie interessiert hat und auch nie interessieren wird. Versuch das doch zu verstehen, du Haudrauf! Der ganze Klassenscheiß, der dich und die ganzen Steuerzahler offensichtlich so nervt – der euch alle nervt, egal auf welcher Seite der Gleise ihr lebt oder zu leben glaubt –, der interessiert mich einfach nicht.«
Er starrte mich an. Mir war klar, dass, sollte er ein Mal im Leben glauben, dass ich wirklich ernst meinte, was ich sagte, und dass Tausende Kiddos das Gleiche taten, dass dann der Boden seiner abscheulichen kleinen Welt nachgeben würde.
»Du bist verdorben!«, rief er plötzlich aus, »Unmoralisch! Und ich sag, das seid ihr Teenager alle!«
Ich musterte den Dämlack und sprach dann langsam. »Ich erzähl dir was über Teenager«, sagte ich, »im Vergleich zu dir vor zehn Jahren … waschen wir uns zwischen den Zehen und wechseln gelegentlich unsere Unterhemden und -hosen und horten keine leeren Flaschen unter unseren Betten, ganz einfach, weil wir das Zeug nicht anrühren.«
Mit diesen Worten verließ ich diese Kreatur; denn im Ernst, das war alles solch eine Zeitverschwendung, eine Plage, alles so offensichtlich, und ehrlich gesagt streite ich mich nicht gern. Und wenn sie das alles für Katzenkacke halten, meinetwegen, sollen sie’s tun, und viel Glück!
Ich musste dies im Korridor laut vor mich hin gemurmelt haben, denn eine Stimme über dem Treppengeländer sagte: »Zählst du dein Geld, oder was, oder redest du mit dem Teufel?«, und natürlich war es meine liebe alte Mum. Da stand sie und hielt sich an der Brüstung fest wie jemand in einer Tennessee-Williams-Verfilmung. Ich erwiderte mit: »Huhu, Madame Blanche.«
Einen Augenblick lang sah sie fast geschmeichelt aus, wie Frauen so aussehen, wenn man ihnen was Aufreizendes sagt, egal wie intim es ist, solange sie nur glauben, es schmeichle ihrem Ego, bis sie sah, dass ich es eiskalt und sarkastisch gemeint hatte, da schlich sich wieder dieser Heute-geschlossen-Blick in ihr Gesicht.
Aber ich holte schneller aus als sie. »Und wie geht’s dem umgekehrten Harem?«, sagte ich zu ihr.
»Häh?«, sagte meine Ma.
»Deinen Gigolo-Mietern, den
Pal Joeys
«, 9 fuhr ich fort, um mich so klar wie möglich auszudrücken.
Und als wollten sie meine Behauptung beweisen, kamen in diesem Moment netterweise zwei von ihnen vorbei, so, dass es der armen alten Mum schwerfiel, mich platt zu machen, was sie eigentlich vorgehabt hatte, wie ich an ihrem tödlichen Blick erkannte, der sich nun in ein schwächliches, affektiertes Grinsen verwandelte für diese zwei fleischigen Malteser, die zwischen uns durchliefen, von Männlichkeit umweht, wenn auch nicht unbedingt von Deodorant.
Sowie sie sich auf der Treppe an ihr vorbeigequetscht und dabei sehr höflich einen guten Tag gewünscht hatten, fuhr sie zu mir herum und sagte: »Du kleine Ratte.«
»Eine Mutter sollte das ja wissen«, sagte ich zu ihr.
»Du bist zu groß für deine Stiefel«, sagte sie.
»Schuhe«, sagte ich.
Sie atmete einmal tief durch. »Du hast zu viel Taschengeld, das ist das Problem!«
»Das ist genau nicht mein Problem, Ma.«
»Das habt ihr Teenager alle.«
Ich sagte: »Ich bin es echt leid, mir das immer anhören zu müssen. Schon klar, wir Kids haben die Kohle nur so, zum Rausschmeißen! Schlag doch mal vor, was man daran ändern sollte.«
»Das ganze Geld«, sagte sie und sah mich an, als fielen mir die Pfundnoten nur so aus den
Weitere Kostenlose Bücher