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Absolute Beginners

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Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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mit, aber ich wechselte doch lieber das Thema.
    »Warum bist dann nicht fröhlicher, Dad?«, sagte ich zu ihm. »Wenn dir die Fünfziger besser gefallen, wie du sagst, warum amüsierst du dich nicht ein bisschen?«
    Mein armer Alter schluckte. »Weil ich jetzt zu alt bin, mein Sohn«, sagte er. »Ich hätte in den 1950ern jung sein sollen, so wie du, und nicht im fortgeschrittenen Alter.«
    »Tja, daran lässt sich nichts mehr ändern, Dad. Aber zum Teufel, du bist noch keine fünfzig, du könntest noch ein bisschen die Welt sehen … Ich meine, du bist eigentlich noch nicht zu alt, dir einen Job zu suchen, nicht wahr, und herumzureisen und zu sehen, was es für schöne Dinge gibt? Andere haben das auch getan, oder nicht?«
    Mein armer alter Pop war still.
    »Warum zum Beispiel bleibst du hier in diesem Dreckloch?«, sagte ich zu ihm.
    »Du meinst, hier mit deiner Mutter?«
    »Ja, Dad, warum?«
    »Er bleibt, weil er Angst hat zu gehen, und sie behält ihn, weil sie will, dass das Haus einen ordentlichen Eindruck macht.«
    Das kam vom Bett und meinem charmanten Halbbruder Vernon, den wir fast vergessen hatten und der uns mit seinen zwei roten schlackernden Ohren offenbar zugehört hatte.
    »Beachte ihn nicht, Dad«, sagte ich. »Beachte ihn ganz einfach nicht.«
    »Der hat mit mir nichts zu tun«, murmelte mein Vater, »überhaupt nichts.« Und er sammelte die Tassen ein und ging nach draußen und schmiss dabei noch einiges um.
    »Du«, sagte ich zu Vernon, »du bist echt der Horror Nummer eins, ein leibhaftiger Außerirdischer.«
    Das Problem mit Vernon ist eigentlich, wie ich schon sagte, dass er einer aus der letzten Generation ist, die aufwuchs, bevor es Teenager gab: tatsächlich scheint er überhaupt nie, zu irgendeiner Zeit, ein Einsteiger gewesen zu sein. Auch heute noch gibt es, natürlich, ein paar wie ihn, das heißt Kids im richtigen Alter, so zwischen fünfzehn und zwanzig, die ich jetzt nicht als Teenager beschreiben würde: Ich meine Kiddos, die das Teenager-Ding nicht kapieren und deshalb nicht Teil davon sind. Aber in der Ära des armen Vernon, dieses traurigen Waschlappens, gab es überhaupt keine : kann man das glauben? Überhaupt keine echten Teenager. Damals war man offensichtlich bloß ein zu groß gewachsener Junge oder ein zu klein geratener Mann, das Leben scheint nicht auf irgendwas dazwischen ausgerichtet gewesen zu sein.
    Das sagte ich ihm also alles.
    »Ach ja?«, antwortete er (was er sich aus alten Clark-Gable-Filmen abgehört haben muss, die für die Classics-Reihen wieder aufgebraten werden).
    »Ja«, sagte ich zu ihm. »Und das erklärt, warum du so armselig und niedergeschlagen aussiehst und warum du gegen die Gesellschaft ächzt und stöhnst und quengelst.«
    »Is dat so?«, sagte er.
    »Dat is et, Halbbruder«, erwiderte ich.
    Ich konnte sehen, wie er sein Gehirn für eine Antwort auf Touren brachte: glaub mir, ich fühlte sogar, wie der Boden von seiner Anstrengung bebte.
    »Ich weiß nicht, was mein Problem ist«, erklärte mein dämlicher Bruder schließlich, »aber dein Problem ist, dass du kein soziales Gewissen hast.«
    »Kein was?«
    »Kein soziales Gewissen.«
    Er war ganz nah an mich rangekommen, und ich sah in seine engen, fiesen Augen. »Für mich klingt das«, sagte ich, »wie Papageiengeschrei, vorgefertigt
     speziell für dich von deinen Armleuchter-Kollegen aus dem
Ernie-Bevin-Klub
.« 7
    »Wer hat dich denn dahin gebracht, wo du jetzt bist?«
    »Wie wer? Und wohin gebracht?«
    Und da kam dieser mein lieber fünfzigprozentiger Verwandter auf mich zu und drückte mir mit einem schmutzigen Wurstfinger auf die Brustmuskulatur.
    »Es waren die Regierungen unter
Attlee
«, 8 sagte mein Bruder mit seiner weinerlichen und wehklagenden Bahnsteigdurchsagestimme, »die den Arbeiter befreit und den Teenagern ihre wirtschaftlichen Privilegien verschafft haben.«
    »Du gibst mir also deinen Segen?«
    »Was?«
    »Wenn es die Ernie-Bevin-Jungs waren, die uns unsere Privilegien verschafft haben, wie du es sagst, müssen wir ja euren Segen haben.«
    »Nein, habt ihr nicht, oh nein.«
    »Nein?«
    »Das war eine unvorhergesehene Möglichkeit«, sagte er, »ich meine, dass ihr Kids diese ganzen gutbezahlten Jobs kriegt und Freizeit.«
    »Nicht Teil des großen Plans?«
    »Nein. Und seid ihr uns dankbar? Kein bisschen.«
    Da war ich endlich mit ihm einig. »Warum sollten wir?«, sagte ich. »Deine linken Kameraden haben getan, was sie wollten, als sie an die Macht kamen, also warum

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