Absolute Beginners
Ohren und sie könnte sie auffangen, »und ihr seid noch minderjährig! Ohne Verpflichtungen, für die ihr’s braucht, das ganze Taschengeld.«
»Hör mal zu«, sagte ich, »wer hat uns denn zu Minderjährigen gemacht?«
»Was?«
»Ihr habt uns zu Minderjährigen gemacht, mit eurem parlamentarischen Quatsch«, erklärte ich ihr geduldig. »Ihr dachtet ›Das wird die kleinen Bastarde kleinhalten, keine Rechte und so weiter‹, und da habt ihr uns zu Minderjährigen erklärt. Alles klärchen. Das hat uns auch von allen Verpflichtungen befreit, oder etwa nicht? Denn wie kann man Verpflichtungen haben, wenn man keine Rechte hat? Und dann kamen der fröhliche Aufschwung und das ganze Taschengeld, und plötzlich stelltet ihr Altos fest, dass wir mehr Macht hatten, obwohl wir keine Rechte besaßen. Mit anderen Worten – und hör mir zu , Ma –, wenn ihr das auch zugegebenermaßen nicht vorhattet, ihr habt uns das Geld gegeben, und ihr habt uns die Verpflichtungen genommen. Kannst du mir so weit folgen? Okay! Ihr Volljährigen stellt jetzt fest, dass die Gesetze, die ihr da ausgebrütet habt, euch alle Pflichten zuschieben, aber nicht den Spaß lassen, und dass es für uns genau andersrum ist, und das gefällt euch nicht, stimmt’s? Tja, was uns angeht, die Kids, uns gefällt das, versteht du? Uns gefällt das sehr gut, Ma. Lasst es so, wie es ist!«
Danach war ich ziemlich erschöpft. Warum erkläre ich ihnen das und rede wie eine Methodisten-Nummer, wenn sie sich sowieso nicht für mich interessieren?
Mum, die das alles nicht kapiert hatte (ich meine, meinen Gedankengang, obwohl sie das Ganze im Kern natürlich begriff), veränderte jetzt ihre Taktik, und das machte mich misstrauisch, denn sie kam schweigend die Treppe herunter und forderte mich mit einer Kopfbewegung auf, ihr in ihr Wohnzimmer zu folgen, so wie früher, wenn ich in Schwierigkeiten war, und ebenso wie früher hielt ich es für das Beste, ihr nicht zu folgen und mich zu verabschieden. Doch das muss sie erraten haben, denn sie sprang wieder aus ihrem Zimmer, erwischte mich an der offenen Haustür und packte mich am Ärmel. »Ich muss mit dir sprechen, Sohn«, sagte sie.
»Dann sprich draußen mit mir«, sagte ich zu ihr und versuchte durch die Tür auf die Straße zu kommen, aber sie hielt mich immer noch fest.
»Nein, in meinem Zimmer, es ist lebenswichtig«, zischte sie.
Tja, da waren wir also und führten im Eingang praktisch einen Ringkampf auf, bis sie mich losließ und sagte: » Bitte komm rein.«
Ich schloss die Tür, wollte aber nicht weiter hereinkommen als in den Korridor und wartete.
»Dein Vater stirbt«, sagte Mum jetzt zu mir.
Mein erster Gedanke war, dass sie log; und mein zweiter Gedanke war, dass sie, selbst wenn nicht, versuchte mich zu knacken, denn was kümmert es sie, ob er lebt oder stirbt? Sie wird versuchen, mich irgendwie für irgendwas verantwortlich zu machen, für das ich überhaupt nicht verantwortlich bin, also die alte Erpressungsnummer der Eltern und aller Oldies gegen die Kiddos.
Aber ich irrte mich, das war es nicht – sie wollte etwas von mir. Nachdem sie eine ganze Weile um den heißen Brei herumgeredet hatte, sagte sie zu mir: »Wenn deinem Vater irgendetwas zustoßen sollte, möchte ich, dass du wieder hierher zurückkommst.«
»Das möchtest du«, sagte ich. Das war alles.
»Ja. Ich möchte, dass du wieder hierher zurückkommst.«
»Und warum?«
Denn ich wusste es wirklich nicht. Aber die Art, wie Mum ihre Augen niederschlug und bescheiden und mädchenhaft und verschämt dreinschaute, gab mir einen Hinweis – zuerst dachte ich, sie will Eindruck schinden, aber dann wurde mir klar, dass das nur teilweise stimmte und sie ausnahmsweise einfach nicht anders konnte.
»Du willst mich wiederhaben«, sagte ich, »weil du dann einen Mann im Haus brauchst.«
Sie stimmte mir stillschweigend zu, wie es in den Wochenmagazinen für Frauen heißt.
»Damit das liebe alte Haus ein ehrenwertes bleibt, bis du wieder heiratest«, machte ich weiter.
Immer noch blieb Ma stumm.
»Weil der alte Vern, dein früheres Produkt, so ein bügelfreier Langweiler ist, dass niemand je ihn für den Herrn dieser Einrichtung halten würde.«
Dafür handelte ich mir einen scharfen Blick ein, aber immer noch keine Antwort, während unsere Gedanken lautlos in der Luft miteinander rangen, außerstande, sich zu trennen, denn wie weit man sich auch von einem nahen Verwandten entfernt hat, vollkommen abgeschnitten und auf ewig
Weitere Kostenlose Bücher